Metal mit Pauke und Trompete

■ „Thorshammer“scherte sich im „Gate“kaum um Genrezwänge

Früher war Multimedia, wenn jemand Musik machte und ein anderer dazu Dias zeigte. Man hat das belächelt. Heute ist Multimedia, wenn jemand im Viertel mit jemandem in Walle übers Internet „Vier gewinnt“spielt. Da sehnt mancher die gute alte Zeit zurück.

„Thorshammer“aus Berlin haben nicht nur einen altmodischen Namen, sie vertreten auch die alte Multimedia-Schule. Zu ihren Instrumenten nehmen sie Dias eines befreundeten Malers aus dem Klan des Tacheles-Hauses mit auf Tour, die teils als stehende Bilder hinter die Musiker projiziert werden, teils durch den Saal kreisen.

Bei ihrem Bremer Konzert im „Gate“ging dieser Aspekt durch die ungünstige Verspiegelung der Location ein wenig unter. Dafür war die Band selbst weder zu überhören, noch zu übersehen. Kein Wunder: Die Tanzfläche war zwar gerappelt voll, aber sie war halt mit der Band und ihren mannigfaltigen Instrumenten gefüllt. Die Gäste, die allesamt an der Theke saßen, waren kaum in der Überzahl. „Thorshammer“machten gute Miene zum schlechten Besuch.

Bassist Serge führte auf humorvolle Art durchs Programm, begrüßte den „trauten Kreis“im kleinen „Jatz-Club ,Gate'.“Überhaupt wirkten alle Bandmitglieder viel netter und fröhlicher, als man das von einer Doom-Formation erwarten würde. So nennen die Berliner ihren Sound nicht nach herkömmlichen Heavy-Schubladen, sondern „Wagner-Ambient-Metal“.

Die Songs von „Thorshammer“bauten sich elegant aus schneidigen, abgehackten und äußerst disziplinierten Rock-Riffs sowie grollenden, rollenden Passagen auf. Die Texte aus Sänger Sörens brummiger Kehle waren zwar kaum zu verstehen, aber sie schienen in deutsch abgefaßt. Zumindest trugen sie Titel wie „Fegefeuer“, „Veitstanz“, „Allein“, „Paranoia“oder „Verloren“. Die Unverständlichkeit der Worte im Live-Gewand ging dabei keinesfalls auf Kosten des Vortragenden, sondern lag wohl in der Natur der Sache. Sörens Organ erwies sich als nuanciert. Er mußte nicht ständig schreien, um sich Gehör zu verschaffen. Murmeln reichte bei seiner Stimmtiefe vollkommen aus. Außerdem spielte er vorzüglich Pauke und Trompete. Nicht vorzüglich virtuos, aber vorzüglich zu den Spannungsbögen des Sounds passend.

Muß einem bei solch martialischen Klängen angst und bange werden? Heavy Metal mit Pauken und Trompeten, mit deutschen Texten und einem Bandnamen aus der nordischen Mythologie reicht vielen Wirrköpfen schon, um verwerfliche politische und ideologische Zusammenhänge herbeizuinterpretieren. Bei „Thorshammer“war jedoch von dumpfen Gedankengut keine Spur. Mit „Helden leben“spielten sie sogar ein waschechtes Anti-Kriegslied. Dabei verzichteten sie fast völlig auf Gesang und erzeugten allein mit bedrohlichem Keyboard und monströser Rhytmussektion unheilvolle Stimmung.

Andreas Neuenkirchen