„Liebe taz...“Nichts neues –betr.: Die nachfolgenden Leserbriefe befassen sich alle mit der Esoterik-Messe und der Kritik von Jutta Ditfurt, taz-Bremen vom 7.10./13.10 1997

Die Emotionen um die Kritik am Kogreß „Visionen menschlicher Zukunft“schwappen hoch. Angeblich geistert wieder einmal ein Faschismus-Vorwurf durch die öffentliche Diskussion. Tatsächlich ist eine grundlegende Kritik an der Esoterik keineswegs neu, schon Ernst Bloch kritisierte „Okkulte Phantastik und Heidentum“in Hinblick auf ihre Rolle bei der Entstehung des Nationalsozialismus.

Zumindest Kongreßleiter Siepmann ist ganz und gar nicht irrational. Trotz diverser geschäftlicher Probleme, wie dem Konkurs seines Vereins „Gesundheit und Kultur“, gelang es ihm bisher, seinem Messekonzept einen Anstrich von Seriösitot zu verleihen.

Hilfreich war da sicher die langjährige Unterstützung des Senats, wie diesmal durch den Wirtschaftssenator Perschau, der in seinem Geleitwort zum Messeprogramm dessen innovativen und zukunftsweisenden Charakter hervorhebt. Wichtiger noch als diese freundlichen Worte ist allerdings der Programm-Cocktail, den Siepmann und sein Team gemixt haben. Seit Ausrichtung des ersten Kongresses 1994 finden sich dort bekannte Esoteriker wie Michael Barnett neben Ökologiebewegten, WissenschaftlerInnen bis hin zur renommierten Jungmanagerin Britta Steilmann.

In einem derart präsentierten esoterischen Supermarkt – wie die Esoterikkritikerin Maria Wölflingseder es nennt – läßt sich auch noch das fragwürdigste Angebot plazieren, wobei die gern zitierte Engelsmaschine wirklich nur ein oberflächliches Highlight ist. Im Endeffekt wird die Esoterik so gesellschaftsfähig und der Kongreß für Herrn Siepmann lukrativ. Daß dabei auch Leute zu Wort kommen, deren Ansichten nicht gerade als political correct gelten, gehört im Sinne dieser Philosophie quasi zum Geschäftsrisiko. Da wird schon einmal für den Gaia –Versand des ehemaligen Horstführers der Wikingjugend Ulbrich geworben. Ulbrich sieht sich heute, nach seinem Austritt aus der Wiking nur noch als Neuheide, der immer noch querdenkt. Eine interessante Beschreibung für das eindeutig neofaschistische Gedankengut, das er über seinen Aurunverlag vertreibt. Problematischer als jemand wie Ulbrich, der nur die Spitze des Eisbergs darstellt, ist die Ideologie der Esoterik und ihre Modernität, die sie anschlußfähig macht.

Nicht umsonst wird die Esoterik als die zeitgemäße Religionsform schlechthin bezeichnet. Sie kann in ihrer postmodernen Beliebigkeit einer breiten Masse von Menschen suggerieren, deren Probleme ernst zu nehmen. Die struktrellen Ursachen von Krankheit, Entfremdung und Entsinnlichung werden dabei nicht hinterfragt bzw. individualisiert. Dies als Entpolitisierung zu bezeichnen oder als harmlose Spinnerei abzutun, wäre allerdings falsch. Esoterische Zukunftsvisionen stehen emanzipierten Gesellschaftsentwürfen im Kern diametral entgegen.

So reproduzieren biologistische Vorstellungen, die die Geschlechterrollen und weibliche Prinzipien festsschreiben, auch wenn sie einen esoterischen und keinen explizit faschistischen Hintergrund haben, autoritäre, sexistische Strukturen. In diesem Sinne ist es nur folgerichtig, daß sich unter diesen „Visionen menschlicher Zukunft“Lebensschützer wie der Verlag Gralsbotschaft und Franz Alt wiederfinden, der die Aktion Lebensrecht für Alle und deren Arbeit gegen den Paragraphen 218 unterstützt. Kai Kaschinski

Schlecht formulierte Kritik

Mit dem Esoterik-Kongreß als Lackmus-Test für die Bremer political correctness habt Ihr ziemliches Pech: Rudi Hickel disqualifizerte sich als moralische Instanz, als herauskam, daß seine schließliche Nichtbeteiligung keineswegs auf inhaltlichen Differenzen oder moralischen Skrupeln beruhte, sondern ausschließlich auf der Unfähigkeit der Veranstalter, Hickelchen die ihm zustehende hochkarätig besetzte Talk-Show zu organisieren – wobei als Erkenntnis abfällt, daß Rudi offensichtlich der erste war, der zugesagt hat.

Nun also Mobilisierung externen Sachverstands in Form des Gastkommentars von C. Goldner, der mit gleich zwei Berufen vorgestellt wird: „Autor und Kritiker des Bremer Visionen-Kongresses“.

Was dieser Kritiker dann vorzubringen hat ist ebenso schlecht formuliert – Hitler „schloß sich dem Dunstkreis...an“, „All das Rassistische, Antisemitische, Faschistoide bleibt jedoch unterschwellig verborgen“etc. – wie seinerseits „fatal“, denn im Namen der Aufklärung über historische Zusammenhänge zwischen Esoterik und Faschismus rumpelt eine gepanzerte Besserwisserei daher, die ihre fehlende inhaltliche Substanz mit praller Selbstgerechtigkeit kompensiert. Mit großer, investigativer Geste wird die sensationelle Neuigkeit verkündet, daß Hitler und andere Nazi-Größen mit allen möglichen Mystik-Zirkeln in Verbindung standen, ganz offensichtlich, um dem Leser die These: Mystik führt zum Faschismus zu verdeutlichen. Daß seit mindestens zehn Jahren die moderne Faschismus-Forschung sich gerade darum bemüht, zu zeigen, daß Ideologie und Praxis des Nationalsozialismus viel weniger mit Germanen-Geraune und sehr viel mehr mit antimoralisch-pragmatischem Effizienz-Denken und technokratischer Intelligenz zu tun hat – und damit viel weniger weit weg ist, als es das permanente Geschrei von „faschistischen Tendenzen“je zu zeigen vermag- , weiß der Kritiker nicht.

Er weiß allerdings auch nicht, wie sich denn nun Thule-Gesellschaften etc. und Bremer Kongreß miteinander verbinden lassen, stattdessen wird dieser Zusammenhang mit der rhetorischen Figur konstruiert, all das, was man behauptet, aber nicht bewiesen hat, sei eben „unterschwellig verborgen“. Dies aber ist nichts anderes als Denunziation – der unverzichtbare Schmierstoff für das Funktionieren des Räderwerks totalitärer Regimes.

Diese „Antifaschisten“sind ein ebenso großer Feind von wissenschaftlicher Auklärung wie die Esoteriker, nur daß diese sich zu ihrem Irrationalismus bekennen, während jene ihre Mythen als fundierte Erkenntnisse verkaufen und uns schnarrend zum Humanismus befehlen wollen.

Dr. Till Schelz-Brandenburg

Rufmord!

War das nun Absicht oder Unachtsamkeit oder beides? Wie kann die taz allen Ernstes behaupten, Jutta Dithfurt setze „soziale Gleichheit dem Faschismus gleich“? Diese an Rufmord grenzende Falschbehauptung liegt auf gleicher Ebene mit dem sonstigen Wahrheitsgehalt des Beitrages, der mit journalistischer Berichterstattung nichts mehr zu tun hat. Statt zu reportieren, was Sache war, wirft Christoph Dove Bewertungen mit frei Erfundenem wild durcheinander, so daß man am Schluß meinen könnte, auf einer anderen Veranstaltung gewesen zu sein. Meiner Erinnerung nach fanden die vorgetragenen Referate anhaltenden Beifall, kein Mensch – zeigte sich stark irritert. Colin Goldner