El Salvador - eine starke Konkurrenz

Das kleinste Land Zentralamerikas ist, was die wirtschaftlichen Unternehmungen der Militärs angeht, eine Ausnahme. Die soldatische Rentenkasse, das „Instituto de Previsión Social de la Fuerza Armada“ (IPSFA), ist mit einem Krankenhaus, einer Supermarktkette und vor allem mit viel Immobilienbesitz zwar die weitaus kapitalstärkste staatliche Institution. Die Mittel reichen jedoch nicht aus, um den größten zivilen Finanz- und Wirtschaftsgruppen Konkurrenz zu machen. Die Macht der vierzehn Familien, aus denen seit rund einem Jahrhundert die traditionelle Oligarchie El Salvadors besteht, wird nicht angekratzt.

Das Ende des Bürgerkriegs 1992, sagt IPSFA-Geschäftsführer Coronel Efrain Luna Nejapa, war „wie eine Strafe“ für die soldatische Rentenkasse. Nach dem mit der Führung der „Nationalen Befreiungsfront Farabundo Marti“ (FMLN) ausgehandelten Friedensvertrag wurde die Armee um die Hälfte der einst 65.000 Soldaten verkleinert. Dem Pensionsfonds kamen damit fünfzig Prozent der beitragszahlenden Mitglieder abhanden.

Zudem mußten rund 12,5 Millionen Dollar an Abfindungen und Pensionen ausgeschüttet werden. In El Salvador sind deshalb die privaten Geschäfte der Militärs wichtiger als die institutionellen Investitionen der Rentenkasse, nicht erst seit dem Friedensvertrag.

Auch der Bürgerkrieg war für mittlere und höhere Offiziere ein einträgliches Privatgeschäft. Sie kassierten den Sold von Soldaten, die gefallen waren, aber nie aus den Mannschaftslisten gestrichen wurden. Gab es zu wenige Tote, wurden einfach Soldaten erfunden. Solche Geistersoldaten wurden dann nach dem Friedensvertrag „demobilisiert“. Ihre Vorgesetzten kassierten die Abfindung. Diese Praxis, während des Krieges gang und gäbe, soll bis heute weiterexistieren. Davon geht jedenfalls der Anwalt José Maria Méndez jr. aus. Er vermutet, daß es noch immer bis zu dreitausend solcher Geisterstellen gibt.

Der Erlös privater Korruption wird in El Salvador mit Hilfe von staatlicher Korruption investiert. Militärs im Ruhestand werden bevorzugt mit Lizenzen für zoll- und steuerfreie Maquilas bedient. Der Coronel Mario Guerrero ist dafür nur das prominenteste Beispiel: Er besitzt gleich eine ganze Freihandelszone vor den Toren der Hauptstadt San Salvador.

Auch die industrielle Fischerei an der 400 Kilometer langen Pazifikküste des Landes ist fest im Griff militärischer Ruheständler. So bekam der steinreiche Mayor Roberto D'Aubuisson, als Gründer der salvadorianischen Todesschwadrone verantwortlich für die Ermordung des Bischofs Oscar Romero und einer der Mitbegründer der heutigen Regierungspartei Arena, bereits in den achtziger Jahren Abfisch- Rechte, die zuvor zivilen Unternehmern entzogen worden waren. Nach seinem Tod 1992 wurden die Lizenzen an Familienangehörige übertragen, angeblich „aus humanitären Gründen“.

Und noch ein Geschäftszweig wird fast zu hundert Prozent von ehemaligen Militärs dominiert: die privaten Sicherheitsdienste. In einem Land mit extrem hoher Kriminalitätsrate (22 Morde am Tag bei knapp sechs Millionen Einwohnern) ist das ein Bombengeschäft. Auch das Personal dieser Firmen hat in der Regel militärische Vergangenheit. Das Fußvolk bleibt seinen ehemaligen Vorgesetzten treu. Soldaten, die nach dem Ende des Bürgerkrieges demobilisiert wurden, stehen so heute wieder unter Waffen.

Auch einige Führungsmitglieder der ehemaligen Guerilla scheinen von wirtschaftlichen Ambitionen nicht frei. Joaquin Villalobos, während des Krieges einer der fünf ranghöchsten Comandantes der FMLN und danach erfolgloser Gründer der „Demokratischen Partei“, soll – entsprechende Gerüchte halten sich hartnäckig – mit einer Millionensumme aus dem geheimen Präsidenten-Fonds zu seiner Unterschrift unter den Friedensvertrag bewegt worden sein. Beweise dafür gibt es nicht. Tatsache ist, daß Villalobos, der ehemalige Kommandant der Revolution, heute Teilhaber einer Bank ist.