Maulkorb für Journalistin

■ Hamburger Staatsanwaltschaft wirft einer Redakteurin des Angehörigen Infos Billigung von Straftaten vor und ermittelt

„Jetzt ist es nur noch ein winziger Schritt, der Presse zu verbieten, zu schreiben, was Velazco sagt“, prophezeite Rechtsanwalt Hartmut Jacobi vor rund einem Monat. Zuvor hatte die Innenbehörde gegen Isaac Velazco, den in Hamburg lebenden Europa-Sprecher der peruanischen Tupac-Amaru-Rebellen (MRTA), „ein partielles politisches Betätigungsverbot“verhängt. Jetzt wurde der von Jakobi befürchtete „winzige Schritt“vollzogen: Weil sie Auszüge aus MRTA-Kommuniqués und ein Interview mit der Ehefrau des Rebellen-Sprechers dokumentierte, sieht sich Christiane Schneider, Redakteurin des in Hamburg erscheinenden Angehörigen Infos, inzwischen dem Vorwurf ausgesetzt, sich der „Billigung von Straftaten“schuldig gemacht zu haben.

Die Hamburger Staatsanwaltschaft leitete Ende September ein entsprechendes Ermittlungsverfahren gegen Schneider ein. In den veröffentlichten Beiträgen werde „die Geiselnahme in der japanischen Botschaft in Lima durch Angehörige der Tupac Amaru öffentlich gebilligt“, begründet Staatsanwalt Bernd Mauruschat, das neuerliche Maulkorb-Verfahren.

Merkwürdig an den Vorwürfen gegen Schneider: In dem im Angehörigen Info abgedruckten MRTA-Kommuniqué ist von der Botschaftsbesetzung in keinem Wort die Rede. Die Redakteurin bewertet das gegen sie laufende Ermittlungsverfahren als „Versuch die Außenpolitik der Bundesregierung innenpolitisch durchzusetzen“. Außerdem sei die staatsanwaltschaftliche Drohgebärde „der erneute Versuch, das Angehörigen Info mundtot“zu machen.

Schon in den vergangenen Jahren leitete die Staatsanwaltschaft mehrere Straf-Verfahren gegen die verantwortliche Redakteurin des 1989 von FreundInnen und Angehörigen der RAF-Gefangenen gegründeten Monatsblattes ein. Abwechselnd wurde die Journalistin wegen Billigung von Straftaten, Staatsverleumdung oder der Werbung für eine terroristische Vereinigung angeklagt.

Bislang wurde Christiane Schneider vor Gericht fast immer von den Vorwürfen freigesprochen. Ausnahmen: 1991 wurde sie zu 1.800 Mark Geldstrafe verurteilt, weil sie einen Artikel veröffentlicht hatte, in dem die ungeklärten Todesfälle in Stammheim als Morde bezeichnet wurden. Ende April diesen Jahres wurde sie wegen zweier Artikel, in denen von der „Hinrichtung“und „Erschießung“des RAF-Mitglieds Wolfgang Grams in Bad Kleinem die Rede war, vom Alto-naer Amtsgericht zu einer Geldstrafe von 2.700 Mark verurteilt. Gegen das Urteil hat Schneider Berufung eingelegt. Marco Carini