Granaten gegen Kunst

Die ETA plante einen Anschlag auf das Guggenheim-Museum im baskischen Bilbao, Symbol des Neuen  ■ Aus Madrid Reiner Wandler

Wie ein überdimensionales Schiff liegt das Guggenheim-Museum da, von wo aus einst die Niethämmer der größten baskischen Werft ihr rhythmisches Hämmern über Bilbao verbreiteten. Das Monstrum, das aussieht, als hätte es sein Erfinder Frank Gehry aus riesigen Metallspänen kunstvoll zusammengesetzt, hatte noch nicht einmal richtig dort festgemacht, wo nach der schweren Krise der achtziger Jahre Industrieflächen und Hafenanlagen verlassen daliegen, schon wäre es fast von einem Kommando der Separatistengruppe ETA leckgeschossen worden.

Nur wenige Stunden bevor am Montag abend der baskische Regierungschef José Antonio Ardanza den Kulturtempel in den Abendnachrichten von Canal+ präsentieren wollte, wurden die Wachbeamten der baskischen Autonomiepolizei Ertzaina auf drei Gärtner aufmerksam, die Blumenkübel aus einem Lieferwagen luden und sie sorgfältig vor dem Museum aufbauten. Ein Routineanruf an die Zentrale erbrachte, daß das Nummernschild gefälscht war.

Nach ihren Papieren befragt, zog einer der drei Verdächtigen eine Pistole und schoß. Ein Polizist blieb schwer verletzt zurück. Zwei „Gärtner“ flüchteten, der dritte wurde verhaftet. In den Blumentöpfen fanden sich zwölf Granaten. Ob das Gebäude noch am selben Abend beschossen werden sollte oder erst am kommenden Samstag, wenn König Juan Carlos das neue Prunkstück der Stadt offiziell dem Publikum übergeben wird, ist nicht bekannt.

Nur soviel ist sicher: ETA hat sich für den gescheiterten Anschlag das herausragende Symbol der Umstrukturierung Bilbaos ausgesucht. Unter dem Schlagwort „Ria 2000“ – Flußmündung 2000 – verwandelt sich das einstige Ruhrgebiet Spaniens zum freundlichen Dienstleistungsstandort mit kulturellem Angebot. Der Hafen wird aus der Stadt hinaus an den Atlantik verbannt, die so entstandenen Freiflächen und die Umgestaltung der Werksgelände geschlossener Großbetriebe werden genutzt, um den engen Talkessel zu einer weiträumigen Wohnoase zu machen.

Der Flughafen wird erweitert, der Bahnhof ausgebaut, ein modernes Nahverkehrssystem entsteht, die Stadt erhält Kongreßzentrum, Konzerthalle und Museen. High-Tech-Betriebe sollen gelockt werden und endlich wieder Arbeitsplätze schaffen. Um das ehrgeizige Projekt zu verwirklichen, wurde die Crème de la crème der nationalen und internationalen Architektenszene unter Vertrag genommen. Der US-Amerikaner Frank Forster gestaltete die letzten Herbst eingeweihte U-Bahn, der Spanier Santiago Calatrava errichtete den neuen Tower und schlägt Brücken über den Nervión, und der Kalifornier Frank Gehry entwarf das Herzstück des Ganzen, das Guggenheim-Museum.

170 Millionen Mark kostete alleine das Gebäude mit seinen völlig unregelmäßig geformten, lichtdurchfluteten Ausstellungsräumen, Inneneinrichtung und Ausstellungsstücke noch einmal 100 Millionen. „Doch was ist das schon? Hätten wir überall dort Werbeanzeigen für das neue Bilbao geschaltet, wo jetzt über uns berichtet wird, hätte diese Summe nicht gereicht“, gibt Regierungschef Ardanza zu bedenken.

Neben einem festen Bestand an Werken baskischer und spanischer Künstler werden regelmäßig Sonderausstellungen den Atlantik überqueren, um die 24.000 Quadratmeter Ausstellungsfläche zu füllen. Den Auftakt machen 300 Werke weltbekannter Künstler, unter ihnen Beuys, Kandinsky, Braque, Léger, Klee, Miró und Picasso.

Letzterer leider nicht mit „Guernica“. Trotz lauter Proteste der baskischen Regierung bleibt das der im Bürgerkrieg zerstörten baskischen Stadt gewidmete Bild in Madrid. „Wegen seines schlechten Zustandes“ lautete die offizielle Begründung. „Eine Respektlosigkeit gegenüber den Basken“ sahen viele in der Nordregion darin – auch Herri Batasuna, der politische Arm der ETA.