Aufschwung Ost bei Arbeitslosen

■ Die Arbeitslosenzahl der neuen Länder stieg in einem Jahr um 25 Prozent. Die Bundesanstalt für Arbeit sieht das Positive: "Die Werte sind schlechter, aber die Schlechterungsrate wird besser"

Nürnberg (taz) – Auch im September nichts Neues vom Arbeitsmarkt. 4.308.097 Arbeitslose sind zwar knapp 64.000 weniger als im August, aber keine Besserung der desolaten Lage über die jahreszeitlich übliche „Herbstbelebung“ hinaus. Saisonbereinigt ergibt sich sogar ein Anstieg der Arbeitslosenzahl um rund 35.000. „Meine Wünsche haben sich nicht erfüllt“, bekennt der Präsident der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit (BA), Bernhard Jagoda. Er hatte alle Erwartungen in den „Schlüsselmonat September“ gesetzt.

Keine Entwarnung für den Arbeitsmarkt also, aber ein kleiner Trost für Bundesfinanzminister Theo Waigel. Entschieden dementierte Jagoda Meldungen, wonach seine Behörde mit dem im Nachtragshaushalt fixierten Bundeszuschuß von insgesamt 15,1 Milliarden Mark nicht auskomme.

Obwohl man beim BA-eigenen Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung inzwischen mit einer Arbeitslosenzahl von 4,4 Millionen im Jahresdurchschnitt rechnet und damit die Prognose vom Jahresbeginn um 100.000 nach oben korrigiert, ist sich auch BA-Vizepräsident Klaus Leven „ganz sicher“, daß die Mittel reichen. An Arbeitslosengeldern habe man sogar, so Leven, bis zum Ende September einen geringeren Anteil des dafür vorgesehenen Budgets ausgegeben als im Vorjahr.

Ganz anders dagegen die Entwicklung der Arbeitslosigkeit. Ende September waren bundesweit knapp 460.000 mehr Arbeitslose registriert als ein Jahr zuvor. Das bedeutet eine Steigerungsrate von 12 Prozent. Während die Arbeitslosenzahlen in den alten Ländern um „nur“ sieben Prozent über dem Vorjahresniveau liegen, sind es in den neuen Ländern bereits 25 Prozent.

Angesichts dieser Daten fällt es Jagoda zunehmend schwerer, „Lichtblicke“ zu entdecken. Doch die Statistik macht's möglich. Bereits im vierten Monat in Folge läge die Arbeitslosigkeit im Westen „immer weniger über dem Stand des Vorjahres“, führt der BA-Präsident als „Stabilisierungstendenz“ an. O-Ton Jagoda: „Die Werte sind zwar immer noch schlechter, aber die Schlechterungsrate wird besser.“ Kein Lichtblick dagegen in den neuen Bundesländern. Obwohl sich dort der Herbstaufschwung angesichts des späten Endes der Sommerferien eigentlich besonders stark auf den September hätte konzentrieren müssen, geht es weiter bergab. Saisonbereinigt stieg die Zahl der Arbeitslosen um 25.000. Die Arbeitslosenquote ist mit 18,3 Prozent nun fast doppelt so hoch wie im Westen (9,5 Prozent). Nach vorläufigen Schätzungen des Statistischen Bundesamtes hat sich die Beschäftigung in Deutschland im September saisonbereinigt um 10.000 verringert, wobei diese Abnahme allein auf die neuen Länder entfiel. Dort wird die Zahl der Beschäftigten nur noch auf 6,13 Millionen geschätzt, das sind gut 200.000 oder 3,2 Prozent weniger als vor Jahresfrist.

Für die schlechte Entwicklung im Osten macht Jagoda nicht nur das Fehlen von Investitionen in der „schwächelnden Baubranche“ verantwortlich, sondern auch mangelnde Strukturen für den Export. Nur ein Zehntel der Waren werden für die Ausfuhr produziert, im Westen sind es dagegen 30 Prozent. Zudem entlastet die aktive Arbeitsmarktpolitik den Arbeitsmarkt in den neuen Ländern mit Arbeitsbeschaffungs- oder Umschulungsmaßnahmen nur mehr um 530.000. Aufgrund der rigiden Sparpolitik liegt der Entlastungseffekt damit schon um 230.000 unter dem Vorjahresniveau.

„Die Lage bleibt weiter schlecht“, lautet Jagodas Resümee auch für den Lehrstellenmarkt. Am Ende des Berufsberatungsjahres stehen 47.500 noch unvermittelten Bewerbern lediglich 25.800 freie Ausbildungsstellen gegenüber. Die Schere zwischen Bewerberzahl und Stellen öffnet sich immer weiter, insbesondere in den neuen Ländern. Für derzeit 15.200 Bewerber gibt es dort nur noch ganze 600 offene Stellen. Mit einer „Last-minute-Aktion“ will die Bundesanstalt versuchen, wenigstens einen Bruchteil dieser Lücke zu schließen.

Die Arbeitslosenquote bei Ausländern liegt inzwischen bei 20,3 Prozent und damit um etwa einen Prozentpunkt höher als vor Jahresfrist. Bernd Siegler