Kanadische Regierung sauer auf Israels Geheimdienst

■ Botschafter zurückbeordert: Geheimdienst Mossad soll kanadische Papiere mißbraucht haben. Hamas-Gründer darf angeblich nach Gaza zurück. Machtkampf mit Arafat befürchtet

Jerusalem (taz) – Die Verhaftung zweier mutmaßlicher Mossad-Agenten in Jordanien hat eine Krise in den israelisch-kanadischen Beziehungen ausgelöst. Die kanadische Regierung hat ihren Botschafter in Israel zurückbeordert. Zugleich wurde der israelische Botschafter in Kanada ins Außenministerium bestellt.

Die kanadische Regierung protestierte dagegen, daß die mutmaßlichen Agenten mit gefälschten kanadischen Pässen ausgestattet waren. Kanadas Premierminister Jean Chretien warnte Israel davor, Mossad-Agenten mit kanadischen Papieren auszustatten: „Dies ist eine klare Verletzung der kanadischen Souveränität.“

Die Agenten waren Ende vergangener Woche bei einem Mordanschlag auf den politischen Führer der fundamentalistischen Palästinenserorganisation Hamas in Amman, Khaled Mashal, festgenommen worden. Sie hatten sich als kanadische Touristen ausgegeben. Es wird erwartet, daß sich das israelische Kabinett nach dem jüdischen Neujahrsfest am Sonntag mit der Angelegenheit befassen wird.

Nach einem Bericht des israelischen Fernsehens sollen die beiden mutmaßlichen Mossad-Agenten im Gegenzug für die überraschende Freilassung von Scheich Ahmed Yassin, dem Gründer von Hamas, ebenfalls auf freien Fuß gesetzt werden. Der querschnittsgelähmte Yassin war am Mittwoch morgen nach achtjähriger Haft aus einem israelischen Gefängnis entlassen und nach Amman ausgeflogen worden. Dort hält er sich gegenwärtig noch zur Behandlung auf.

Die jordanische Regierung dementierte einen solchen Deal. König Hussein erklärte am Donnerstag in Amman: „Ich glaube nicht, daß es einen solchen Deal gegeben hat. Das würde bedeuten, daß etwas gegeben und etwas angenommen worden ist. Das ist absolut nicht der Fall.“ Nach Angaben der jordanischen Regierung befinden sich die beiden Festgenommenen noch in jordanischer Haft. Sie sollen vor Gericht gestellt werden.

Ein hoher israelischer Sicherheitsbeamter, der anonym bleiben wollte, forderte im israelischen Rundfunk eine Untersuchung der „Agentenaffäre“. Abzuklären sei, ob Ministerpräsident Netanjahu informiert gewesen sei und die Operation abgesegnet habe. Nach Angaben von Ex-Mossad-Agenten müssen Geheimdienstoperationen mit tödlichem Auftrag vom Ministerpräsidenten persönlich genehmigt werden.

Am Donnerstag besuchte auch Palästinenserpräsident Jassir Arafat gemeinsam mit König Hussein Scheich Ahmed Yassin im Krankenhaus. Arafat überhäufte den Hamas-Gründer mit Küssen. Yassin hatte Arafat zuvor wegen der Schließung karitativer Hamas- Einrichtungen im Gaza-Streifen kritisiert: „Er unterwirft sich den Forderungen Israels.“ Nach Angaben von Hamas darf Yassin jederzeit in den Gaza-Streifen zurückkehren. Yassin befinde sich im Besitz eines Begnadigungsschreibens der israelischen Regierung. Der israelische Rundfunk berichtete ebenfalls von der Existenz des Schreibens. Der palästinensische Menschenrechtler Iyad Sarraj befürchtet, daß eine Rückkehr Yassins nach Gaza zu einem Machtkampf mit der Autonomiebehörde führen werde. Georg Baltissen