Banken sollen kranke Ost-AOKs stützen

Bundesgesundheitsminister Seehofer plant, den Ostkassen mit Bankkrediten aus der Misere zu helfen. Bündnisgrüne: Diese Kreditfinanzierung ist „unseriös und rechtswidrig“. AOK fordert Solidarfonds  ■ Aus Berlin Uta Andresen

Wer nicht kreditwürdig ist, bekommt kein Geld von der Bank. Basta. Nicht so bei den Ostkrankenkassen. Die sind zwar blank und werden es wohl auch noch lange bleiben. Dennoch sollen nach Plänen des Gesundheitsministeriums die Pleitiers mit Bankkrediten vor dem Kollaps bewahrt werden.

Mit einer Kreditfinanzierung will Bundesgesundheitsminister Horst Seehofer verhindern, daß die Beitragssätze im Osten erhöht werden müssen. Das Defizit der gesetzlichen Krankenkassen dort lag im Juli bei 1,1 Milliarden Mark. Eine Sprecherin des Gesundheitsministeriums bestätigte „Gespräche“ zwischen Kassen, den Sozialministerien der neuen Länder und dem Bundesgesundheitsministerium. Entschieden werde jedoch erst Ende Oktober, wenn die Strukturdaten der Ostkassen für das vergangene Quartal vorlägen.

Als „unseriös und rechtsdwidrig“ bezeichnet die gesundheitspolitische Sprecherin der Bündnisgrünen, Monika Knoche, das Seehofer-Konzept. „Seehofer müßte als Aufsichtsbehörde eigentlich einschreiten, sollten die Kassen Kredite aufnehmen, um liquide zu bleiben“, so Knoche.

Nach dem geltenden Recht dürfen die Landessozialminister und der Bundesgesundheitsminister als Kassenaufsichten solche Kredite nicht genehmigen. Horst Seehofer geht trotzdem davon aus, daß die vorgeschlagene Lösung durchgesetzt werden kann. „Das kriegen wir schon hin“, so der Minister gegenüber der Welt.

„Was Seehofer jetzt vorschlägt“, kontert die gesundheitspolitische Sprecherin der Bündnisgrünen, „ist ein Verschuldungsprogramm, um das Beitragsfiasko zu umgehen.“ Nun würde sich zeigen, daß die Koppelung von Beitragserhöhung und Zuzahlung für Medikamente „vollkommen blind vor den Problemen im Osten“ sei. Statt das Scheitern seiner Gesundheitsreform einzugestehen, würde sich Seehofer „lieber im Bereich des Nichtlegalen bewegen“. Die einzig probate Lösung für die Misere der Ostkassen sei die „Weiterentwicklung des Risikostrukturausgleichs“, so Monika Knoche.

Auch aus den Reihen der Krankenkassen wird Kritik an Seehofers Idee laut. „Diese Kreditaufnahme ist nichts anderes als der Versuch, nachträglich zu legitimieren, was bei der AOK in Mecklenburg-Vorpommern bereits läuft“, sagt die Sprecherin des Verbandes der Angestellten-Krankenkassen (VdAK), Michaela Gottfried. Aus Sicht des Verbandes greift der Seehofer-Vorstoß zu kurz. „Das löst nicht die Probleme der Ostkassen.“ Und die seien in erster Linie auf die strukturellen Probleme, also die desolate Arbeitsmarktlage im Osten zurückzuführen.

AOK-Chef Hans-Jürgen Ahrens beklagt für die Ostkassen vor allem, daß „dort 74 Prozent der Rentner, 60 Prozent der der Arbeitslosen und 70 Prozent der von Zuzahlungen befreiten Härtefälle versichert“ seien. Ein Punkt, dem der VdAK so nicht zustimmt. Für das Problem der Versichertenstruktur gebe es seit 1994 schließlich den Risikostrukturausgleich Ost. Der VdAK wirft den Ostkassen vielmehr „Unwirtschaftlichkeit und zu hohe Arzneimittelausgaben“ vor.

Der Verband favorisiert eine kasseninterne Lösung, einen „Geldtransfer innerhalb der AOK von West nach Ost“. „Daß nur einer die Solidarleistung erbringen soll“, könne nicht angehen, heißt es hingegen bei der AOK. Die hat in den neuen Ländern einen Marktanteil von über 50 Prozent, den Rest teilen sich die übrigen Kassen.

„Die anderen sind von einer internen Lösung ja auch weniger stark betroffen“, so der Sprecher des Bundesverbandes der AOK, Udo Barke. Die AOK hat unterdessen einen Solidarfonds zur Unterstützung der Ostkassen vorgeschlagen. 1,4 Milliarden Mark sollten von den Westkassen kommen. Das entspreche einer Beitragssatzerhöhung von 0,1 Prozentpunkten.