„Billie Holiday“im Theater im Zimmer

Lady Di und Lady Day – die eine aus der Oberschicht und weiß, die andere in Armut aufgewachsen und schwarz. Der frisch gerankte Mythos um die dahingeschiedene englische Prinzessin erinnert trotz augenfälliger Unterschiede an die Legendenbildung um die amerikanische Jazzsängerin Billie Holiday. Statt Scheidung, Bulimie und pikanten Affären bot Lady Day der Presse Kinderprostitution, Drogenabhängigkeit und Gefängnisstrafen. Schon in den dreißiger Jahren kam solches Skandalfutter prächtig an.

Wer sich für die noch immer nicht ganz geklärten Einzelheiten über Billie Holidays tragisches Leben interessiert und ihre melancholischen Balladen und swingenden Jazznummern liebt, der kann seit Donnerstagnacht im Theater im Zimmer in Weltschmerz baden. Cynthia Utterbach gibt dort eine Lady Day mit großer Ausstrahlung, voller Wärme und Humor.

Glücklicherweise versucht sie keine Sekunde, die „kleine“Stimme der großen Sängerin zu imitieren, deren saxophonähnlicher, weich modulierender Klang so einmalig war. Doch Outfit und Habitus der farbigen Amerikanerin sind schon sehr holidaylike: schulterfreie weiße Robe und weiße Gardenien im hochgesteckten Haar. Auch die intime Atmosphäre des kleinen Hauses läßt fast glauben, daß wir uns im Jahr 1959 befinden und gerade den letzten Auftritt der Diva in einer Bar in Philadelphia miterleben.

Dort hat Lanie Robertson sein 1986 in Atlanta uraufgeführtes Theaterstück Lady Day at Emerson's Bar and Grill angesiedelt. Regisseur Christoph Roethel hat aus dem Stück Szenen entnommen und sie mit Passagen aus Holidays Autobiographie Lady sings the Blues zu einer Hom-mage an die berühmte Jazzsängerin verdichtet, die nichts Peinliches, Reißerisches oder Grelles hat. Enno Dugnus am Klavier und Olaf Kasimir am Baß unterstreichen die entspannte Atmosphäre, die zum Ende hin immer öfter von Ausfällen der Diva unterbrochen wird. Da hört sie mitten in einer traurigen Ballade auf, um das swingende Jazzstück „What A Little Moonlight Can Do“anzusingen, mit dem sie am Anfang ihrer Karriere Erfolg hatte, da verläßt sie plötzlich die Bühne, da kommen ihr zum Schluß sogar die Tränen. Ein bißchen Pathos muß sein.

Karin Liebe