"Es lebe die Revolution!" ...

■ ... rief Innensenator Schönbohm im Prater in Prenzlauer Berg. Gesprächsabend über politische Kultur mußte wegen lautstarker Proteste abgebrochen werden

Toleranz gegenüber politisch Andersdenkenden hat Tradition in Prenzlauer Berg. Viele Konflikte konnten an für alle offenen Runden Tischen gelöst werden, wenn auch meist in Abwesenheit der CDU. Doch die Tradition ging am Dienstag abend im Tumult unter, als sich im Prater ausgerechnet Innensenator Jörg Schönbohm (CDU) und der CDU-Kreisvorsitzende Andreas Apel auf die Gesprächskultur berufen wollten.

Schon Volksbühnen-Intendant Frank Castorf hatte eine Teilnahme abgesagt. Andere seien nicht zu finden gewesen, bedauerte Apel. Außer acht ließ er dabei etwa die Hälfte der gut 200 Teilnahmewilligen, die draußen warten mußten. Sie waren an den Gesichtskontrollen gescheitert. Zwar wurden sie nach heftigen Protesten im Saal doch hereingelassen, ein Gespräch kam aber nicht zustande. Äußerungen des Innensenators blieben durch lautstarkes Rufen, Klatschen und Pfeifen unverständlich. „Abschiebung ist Folter“, skandierten die Protestierer, und: „Sauber soll es sein.“

Schönbohm lamentierte über das „fehlende Demokratieverständnis“, Rufen und Pfeifen seien keine Argumente, und konterte mit Plattitüden. Im Vergleich zu anderen Rechtsstaaten sei das Asylrecht der Bundesrepublik doch liberal, und er wolle keine gesäuberte, nur ein saubere Stadt. „Wir wollen gar nicht mit Ihnen reden“, entgegnete ein Schönbohm- Gegner am Mikrophon. Es sei von vornherein klar, daß er Andersdenkende nur abkanzeln wolle. Zudem habe er bei Konflikten, wie den Räumungen besetzter Häuser, stets Gespräche verweigert. Die Protestrufe seien nun genauso Argumente, wie die Wasserwerfer und Polizeiknüppel. Der Innensenator habe die Konfrontation begonnen.

Ein beschirmter Bodyguard sprang Schönbohm zur Seite, blieb jedoch wegen ausbleibender Flugobjekte unbeschäftigt. Der Innensenator wurde nun selbst laut, hämmerte mit der Faust auf den Tisch, dirigierte schließlich mit wild fuchtelnden Armen die Sprechchöre und entgegnete dem Vorwurf, Politkarneval zu betreiben, mit dem Ausruf: „Es lebe die Revolution!“ Nachdem auch vereinzelte Ansätze von Diskussionswilligen im Saal am Lärmpegel scheiterten, brach Apel die Veranstaltung ab.

Im Saal fand Schönbohm dann doch noch Gesprächspartner. Mehrere Punks lud er ein, mal dabeizusein, wenn er „mit den Bürgern dieser Stadt rede“. Einem Demonstranten, der ihn als Heuchler bezeichnete, warf Schönbohm vor, man könne sein niedriges Niveau schon am Aussehen erkenne. „Das ist nicht Ihre, sondern unsere Stadt“, polterte Schönbohm abschließend ins Mikro und drohte so oft wiederzukommen, „bis auch Sie gelernt haben zuzuhören“. „Der soll doch froh sein, daß er hier nichts auf die Schnauze bekommen hat“, meinte eine Besucherin. Sie jedenfalls sei froh, daß es nicht zur Diskussion gekommen sei. „Wenn der geredet hätte, hätte ich meine ganze Wut in mich hineingefressen. So konnte ich sie rauslassen.“ Gereon Asmuth