■ Die durch riesige Waldbrände verursachte Luftverschmutzung in Südostasien hält an. 20 Millionen Menschen leiden unter Augen-, Haut- und Atemproblemen.
: Notausgang nicht in Sicht

Die durch riesige Waldbrände verursachte Luftverschmutzung in Südostasien hält an. 20 Millionen Menschen leiden unter Augen-, Haut- und Atemproblemen.

Notausgang nicht in Sicht

Wohin sollen wir denn flüchten? In die Berge? Da gibt es noch mehr Bäume, aber die Luft ist auch nicht viel besser als hier in der Stadt“, sagt der Umweltschützer Ngau Laing in der ostmalaysischen Stadt Miri. „Wir können nur im Haus bleiben und abwarten.“

Die Aussichten sind nicht gut: Seitdem die Regierung in Kuala Lumpur am Freitag für die auf der Insel Borneo gelegenen Provinz Sarawak den Notstand ausgerufen hat, ist der Dunst noch dicker und giftiger geworden. Unablässig treibt der Wind den Rauch von den riesigen Waldbränden in Indonesien über große Teile Malaysias, Singapur und Brunei. Über 20 Millionen Menschen sind betroffen. Am schlimmsten traf es gestern die Provinzhauptstadt Kuching, wo am Vormittag ein neuer Rekord von 839 Punkten auf dem Smog- Index gelesen wurde. Dies gilt als extrem gesundheitschädlich. Schon Werte von 200 bis 300 über einen längeren Zeitraum „sind wie 20 Zigaretten am Tag“, hieß es.

In den Krankenhäusern der 150.000-Einwohner-Stadt drängten sich Patienten mit Bronchitis und Asthma; vor allem Kinder leiden unter Bindehautentzündung und anderen Augenbeschwerden. Wie durch eine Geisterstadt schlichen die Autos durch den grauen Dunst. Schulen und Geschäfte waren geschlossen, die Behörden arbeiteten jedoch wieder.

Die malaysische Regierung hat alle umweltbelastenden Betriebe wie Sägewerke oder Baufirmen angewiesen, die Arbeit einzustellen. Im Freien ein Feuer anzuzünden, ist verboten. Was geschehen soll, wenn die Smog-Katastrophe weiterhin anhält, ist noch völlig unklar: Der malaysische Informationsminister Mohamed Rahmad erwog gestern, die zwei Millionen Einwohner der Provinz Sarawak (124.500 km2) zu evakuieren, „wenn die Situation sich weiter verschlimmert“. Regierungschef Mahathir Mohamad hat dies allerdings bereits als unmöglich bezeichnet. „Wohin? Sie können weder nach Indonesien noch nach Sabah (ostmalaysische Nachbarprovinz). Da ist es genauso schlimm“, sagte er am Wochenende.

Mehrere Versuche, künstlich Regen zu erzeugen, indem aus Flugzeugen Salz in die Wolken gesprüht wird, brachten bislang nicht den erhofften Erfolg. Dennoch sollen künftig noch mehr Flugzeuge eingesetzt werden, um die Luft zu waschen, kündigte Minister Mohamad an. Inzwischen sollten die Bewohner von Hochhäusern oder Fabrikarbeiter ihre Gebäude und Straßen mit Wasser besprühen.

Die anhaltende Dürre in Südostasien verschärft die Smog-Katastrophe: Die Monsunregen sind seit Wochen überfällig, in vielen Regionen herrscht große Wasserknappheit. In der ebenfalls von Bränden betroffenen indonesischen Provinz Irian Jaya sind nach jüngsten Berichten bereits über 200 Menschen der Dürre zum Opfer gefallen. In der Region wächst der Unmut über die langsame Reaktion der Regierungen auf die seit Monaten wütenden Waldbrände und den Smog. Zwar hatte sich Indonesiens Präsident Suharto in der vergangenen Woche bei den Nachbarländern entschuldigt, doch außer Absichtserklärungen gab es noch wenig Zusammenarbeit zwischen den Regierungen.

Jetzt will Malaysia helfen, die Brände beim Nachbarn zu löschen: Über 1.200 malaysische Feuerwehrleute und MedizinerInnen reisen jetzt auf die Insel Sumatra. Zusätzlich sollen 130 Feuerwehrleute vom malaysischen auf den indonesischen Teil der Insel Borneo entsandt werden. Mehrere Flugzeuge werden als Regenmacher ausgeliehen. Unterdessen hat Präsident Suharto ein neues Umweltgesetz in Kraft gesetzt, das Brandstifter in den Wäldern stärker bestrafen soll. Denn trotz jüngster Verbote haben Plantagenbesitzer, Holzfäller und Bauern in den letzten Wochen weiterhin Feuer gelegt. Korruption und Desinteresse sorgten dafür, daß sie keine Konsequenzen fürchten mußten.

Letzte Woche hatte die Regierung in Jakarta eine Liste von 176 Firmen veröffentlicht, überwiegend Plantagenbetriebe, denen sie die Lizenz zu entziehen drohte. Auch der malaysische Premier Mahathir sagte gestern, er sei daran interessiert, die Namen der Frevler zu erfahren. In typischer Manier las Mahathir seinen Untertanen die Leviten. Kritiker hatten ihm vorgeworfen, nichts gegen den von Autoabgasen und Industrieemissionen verschärften Smog zu tun. Statt von oben neue Verbote und Gesetze zu erwarten, sollten die Bürger selbst verantwortlicher handeln, wetterte Mahathir gegenüber der malaysischen Zeitung The Star: „Wenn wir zum Beispiel sagen, sie sollen die Autos stehenlassen, sagen sie: Ihr müßt erst ein Gesetz machen, ihr müßt uns kontrollieren“, sagte der Politiker. „Wenn es keinen Bürgersinn gibt, brauchen wir Gesetze und Überwachung für alles. Die Hälfte der Bevölkerung muß dann Polizist werden, nur dann können wir die andere Hälfte kontrollieren.“

Diesen Bürgersinn traut er offenbar Umwelt- und Bürgerrechtsorganisationen weniger zu, sie sind in Malaysia streng überwacht. „Ich weiß nicht, ob wir etwas von dieser Katastrophe lernen“, sagt Ngau Laing von der malaysischen Umweltgruppe Freunde der Erde (SAM) in Miri. „Jetzt leiden alle unter den Versäumnissen der Vergangenheit. Aber wenn die Brände gelöscht sind – wer interessiert sich dann noch für die Gründe?“ Jutta Lietsch