Garzweiler die Wupper runtergespült

■ Wuppertaler Klimainstitut erklärt das Braunkohleloch für energiepolitisch überflüssig, ökologisch bedenklich und arbeitsmarktpolitisch unsinnig. Wirtschaftsminister Clement und Regierungspräsident Antwerpes halten dagegen

Düsseldorf (taz) – In den rot-grünen Dauerstreit um den geplanten Braunkohletagebau Garzweiler II kommt neue Bewegung. Verantwortlich dafür ist eine der taz vorliegende „Gedankenskizze“ aus dem Wuppertaler Klimainstitut, in dem die Autoren zu dem Schluß kommen, daß die ausreichende Versorgung mit Strom „auch ohne Garzweiler II langfristig gesichert werden kann“. Auch unter beschäftigungspolitischem Aspekt halten die Wuppertaler Forscher ein Abrücken von dem Mammutprojekt für geboten. Würden die freiwerdenden Investitionsmittel von RWE in das von den Autoren skizzierte Alternativprogramm gesteckt, führte das zu mehr Arbeitsplätzen als bei Fortsetzung der bisherigen Braunkohlestrategie. Umweltpolitisch sei das vom RWE-Konzern im Verein mit der Führung der nordrhein-westfälischen SPD forcierte Vorhaben ohnehin nicht zu rechtfertigen. So sei „ein vollständiger Aufschluß von Garzweiler II in keinem Fall kompatibel mit dem Klimaschutzziel der Bundesregierung und den mittel- und langfristigen CO2-Reduktionsempfehlungen der Enquetekommission“.

Auf scharfen Widerspruch stießen die Aussagen der knapp 80seitigen Studie gestern bei führenden Sozialdemokraten. SPD-Wirtschaftsminister Wolfgang Clement sprach von wissenschaftlich fragwürdigen Aussagen. Für Clement, der die bisher geheimgehaltene Studie schon seit Juli dieses Jahres kennt, enthält die Expertise keine auch nur halbwegs überzeugenden Argumente für den Verzicht auf die Braunkohle aus Garzweiler II. Die Annahmen zum Stromverbrauch seien ebenso „unhaltbar“ wie die zum Wirtschaftswachstum. Deshalb werde die Studie „natürlich keine Bedeutung“ für das Zulassungsverfahren zum Rahmenbetriebsplan für Garzweiler II haben, so Clement. Der Wirtschaftsminister geht nach wie vor davon aus, daß die entsprechende Genehmigung noch im Herbst dieses Jahres erteilt wird.

Im taz-Gespräch warf auch der Kölner Regierungspräsident Franz-Josef Antwerpes den Autoren „Unwissenschaftlichkeit“ vor. Antwerpes selbst verspricht in dem taz-Interview eine Schadstoffverringerung, wenn Garzweiler II gebaut wird. Wegen des vom RWE-Konzern im Zusammenhang mit der Garzweiler-II-Genehmigung versprochenen Kraftwerkserneuerungsprogramms sei selbst das Klimaziel der Bundesregierung – Reduktion von Kohlendioxid um 25 Prozent – zu erreichen, behauptet Antwerpes. Tatsächlich wird die Verbesserung des Wirkungsgrades der neuen Kraftwerke jedoch nach der Planung von RWE nicht zu einer Reduzierung der absoluten CO2-Menge führen, da der Konzern seine Braunkohlestromproduktion um rund 30 Prozent steigern will. Das Klimaziel der Bundesregierung ist mit dieser RWE-Strategie nicht kompatibel.

Walter Jakobs Tagesthema Seite 3