Absage an den Würger

Die Mitarbeiter der Chemnitzer Spinnereimaschinen wollen López nicht als Sanierer haben. Dennoch wird es Entlassungen geben  ■ Aus Chemnitz Alexander Friebel

Es ist Punkt 17 Uhr am Mittwoch nachmittag. Die rostigen Werkstore der Chemnitzer Spinnereimaschinen-GmbH (CSM) werden verrammelt. Nur die Mitarbeiter, denen der Betrieb seit dem Sommer gehört, haben Zugang. Sie tagen im Speisesaal. Es geht um das Wohl und Wehe des maroden Maschinenbetriebes. Soll man López nun reinlassen – ausgerechnet den Manager, der einst als „Würger“ und „Kostenkiller“ bei VW in Wolfsburg angestellt wurde? Soll er sanieren, was weder der Treuhand noch der „Beteiligungsgesellschaft Neue Länder“ (BNL) gelungen ist? Der Vorschlag kommt von drei Mitgliedern des gewählten Beirats der Gesellschaft. Erst durch die Medien hat die Belegschaft von dem Vorschlag erfahren. Viele sind sauer – nicht nur, weil der Sanierer bei erfolgreichem Management 51 Prozent des Betriebes erhalten soll.

José Ignacio López hat sich offenbar seit Wochen um eine Beteiligung bei der hochverschuldeten sächsischen „Spinnlinie“ bemüht. Der einst als Manager-Wunder gefeierte Baske wollte sich nach seinem Rausschmiß bei VW wohl nicht nur um seinen anstehenden Prozeß wegen Industriespionage bei General Motors beschäftigen. Bereits im Juni zeigte er Lust auf Sachsen und Anfang August stattet er dem Chemnitzer Spinnereimaschinenbetrieb einen Besuch ab. Wenn López saniert, wie viele Arbeitsplätze bleiben dann auf der Strecke? Wie viele vergrößern das Arbeitslosenheer in der schon arg gebeutelten Industriemetropole am Fuße des Erzgebirges?

Nach nur wenigen Minuten kommt Bewgung auf vorm Werkstor. Die drei für den Plan verantwortlichen Mitglieder des CSM- Beirats sind aus der Versammlung rausgeflogen. Die Mitarbeiter haben sie abgesetzt. Die drei sind verdutzt. Nicht einmal anhören wollte die Versammlung ihren Vorschlag. Vor allem Sieghard Bender, Vorsitzender der Chemnitzer IG Metall, hatte sich für López stark gemacht und ihn als den „weltbesten Sanierer“ angepriesen. Er habe auf Veranlassung des CSM-Beirats die Gespräche mit López geführt, mit Rückendeckung gar des sächsischen Ministerpräsidenten Kurt Biedenkopf (CDU), sagt er fassungslos. Bernd Lange, Chef der Chemnitzer Wirtschaftsförderungsgesellschaft und Vorsitzender des Beirats, begleitet ihn. Er sah sich nach dem Eklat außerstande, die Versammlung zu eröffnen, und verließ ebenfalls den Saal. Eigentlich sollten die 372 Gesellschafter über das López-Konzept abstimmen, jetzt ist niemand mehr da, der es vorstellen könnte.

Der Fall López scheint vom Tisch. Doch wie es weitergeht in dem 160 Jahre alten sächsischen Spinnereimaschinen-Betrieb ist völlig unklar. Die graue, heruntergekommene Fassade des CSM spiegelt den bedauerlichen Zustand der gesamten sächsischen Textilindustrie in bezeichnender Weise. Der Putz ist ab. Seit 1994 schreibt der Betrieb nur rote Zahlen, zwei Jahre später erfolgte der Zusammenschluß der CSM mit den Maschinenwerken von Großenhain und Leisnig zur sächsischen „Spinnlinie“. Konnten 1995 noch 140 Millionen Mark umgesetzt werden, waren es ein Jahr später nur noch 100 Millionen Mark. Wöchentlich sollen eine Million Mark Schulden auflaufen.

Als im Juni dieses Jahres der Konkurs unabwendbar erschien, kauften 372 der 480 Mitarbeiter den Betrieb für den symbolischen Wert von einer Mark. Jeweils 4.000 Mark investierten sie in das Fünkchen Hoffnung, so ihren Arbeitsplatz zu sichern.

Vor den Werkstoren hat Gerhard Täuber, stellvertretender Betriebsrat der Großenhainer Textilmaschinenbau GmbH, mit seinen Leuten Protestplakate angebracht. „1 Jahr Spinnlinie, 1 Jahr negative Schlagzeilen. Nicht länger mit uns.“ Großenhain kämpft für die Ausgliederung seines Werkes aus dem maroden Verbund. „Das ist unsere einzige Chance“, meint Täuber ruhig, die Hände in den Hosentaschen – schließlich sei man in Großenhain schon „gesundgeschrumpft“ worden – von 850 Mitarbeitern vor der Wende auf heute nicht mal mehr 80. Das Betriebsgelände der CSM darf die Gesandtschaft vom Partnerwerk aber nicht betreten. „Wir haben Hausverbot.“ Zutritt nur für Gesellschafter – und die Großenhainer haben damals keine 4.000 Mark gezahlt und sind dehalb keine.

Nicht einmal eine Stunde hat die kopflose Versammlung gedauert. Kurz vor 6 Uhr rollen die Gesellschafter wenig informationsfreudig, aber mit zufriedenen Gesichtern in Wagenkolonnen vom Betriebsgelände. Im Rampenlicht der Fernsehkameras bezieht Geschäftsführer Michael Zöllner Stellung. „Wir haben das Thema López gar nicht mehr diskutiert.“ Dafür habe man die Kompetenzüberschreitungen des Beirats besprochen und ihn kurzerhand abgesetzt.

Ein klares Votum gegen López, ohne jede Gegenstimme. „Ich glaube nicht, daß Herr López uns weiterhelfen könnte.“ Doch auch Zöllner muß, obgleich er nicht der „Würger“ ist, eine bittere Wahrheit verkünden: Ein Abbau von Arbeitsplätzen sei unabwendbar. „Wahrscheinlich ab dem nächsten Geschäftsjahr.“