Roter Libanese, wo bist du geblieben?

■ Vor fünf Jahren wurde der Hanfanbau im Libanon eingestellt. Seitdem warten die Bauern auf die versprochene Entschädigung

Ein lässiger Wink des syrischen Postens mit der Kalaschnikow, dann ist der Weg ins Paradies frei: Obstgärten, sattgrüne Wiesen und jede Menge Wasser. Yamouné, ein Zweihundertseelendorf in einem Seitental der Bekaa-Ebene, ist eine grüne Oase. Jahrzehntelang war sie eine der besten Anbaulagen für den berühmten Roten Libanesen. Heute wachsen hier Obstbäume und Kartoffeln.

Angepflanzt wurde der Hanf in der Bekaa schon seit den 30er Jahren, aber erst als Mitte der 70er der libanesische Staat im Bürgerkrieg zerfiel, breiteten sich die Plantagen über die ganze Ebene aus. Haschisch und zunehmend auch Opium füllten die Kriegskassen der Milizen und hielten die Kämpfer bei der Stange. Als der Krieg zu Beginn der 90er Jahre endete, lag die jährliche Produktion bei rund 700 Tonnen Haschisch. „Die Hälfte der Bevölkerung in der Bekaa hat damals vom Haschisch gelebt – und das nicht schlecht“, erinnert sich mein Begleiter Munir, dessen eigene Familie kräftig mitgemischt hat. „Selbst einfache Bauern konnten ihre Kinder studieren lassen.“

Ab 1992 war es vorbei mit dem schönen Leben. Syrien, mit rund 35.000 im Libanon stationierten Soldaten die eigentliche Ordnungsmacht im Lande, suchte nach dem Zerfall der Sowjetunion bessere Beziehungen zu den USA. Die hatten schon seit Mitte der 80er Jahre auf die Zerstörung der Felder gedrängt, und auch die libanesische Regierung wollte ihre Autorität in der Bekaa endlich wieder durchsetzen. Bis zum Sommer 1993 wurden sämtliche Plantagen untergepflügt, teils durch die syrische und die libanesische Armee, teils „freiwillig“ durch die Erzeuger selbst. „Es gibt keinen Drogenanbau mehr in der Bekaa-Ebene“, stellte schließlich eine eigens angereiste UN-Delegation im Juni 1994 fest.

Seitdem warten die Bauern: auf das angekündigte Agrarentwicklungsprogramm und die Aufbaukredite der UN-Entwicklungsagentur UNDP (United Nations Development Project), auf die Bewässerungsprojekte der Regierung in Beirut und auf die versprochenen Schulen und Gesundheitszentren. „Gehört haben wir viel“, sagt der ehemalige Hanfbauer Mansur, „gesehen aber absolut nichts.“

„Wir haben einfach nicht genug Geld“, erklärt dagegen UNDP- Sprecherin Zeina Ali Ahmad. „Unsere Mittel reichen nicht einmal für die dringendsten Bedürfnisse der Region.“ Nur 10 Millionen US- Dollar sollen bis 1999 zur Verfügung gestellt werden, während Experten den Investitionsbedarf für die Bekaa auf 110 Millionen Dollar beziffern. Für die betroffenen Bauern sind daher die Programme der Weltorganisation nur ein Tropfen auf den heißen Stein. Etwa 2.000 zinsgünstige Agrarkredite wurden seit 1994 gewährt, nicht einmal ein Drittel der eingegangenen rund 7.500 Anträge.

Mansur, dessen Ingenieursstudium durch die Gewinne aus dem Hanfanbau finanziert wurde, hat nicht auf Hilfsprogramme gewartet. Mit geliehenem Geld baut er auf dem Land seines verstorbenen Vaters Kartoffeln an. Die Ernten sind gut, aber das nützt ihm wenig: „Die billigen importierten Lebensmittel machen die Preise kaputt.“ Die billige Konkurrenz kommt vor allem aus dem großen Bruderland Syrien, von dessen Wohlwollen die Regierung in Beirut nahezu bedingungslos abhängt.

Was er tun wird, wenn sich nichts ändert, sagt Mansur auch: „Die Leute hier in Yamouné verdienen im Jahr keine 1.000 Dollar mehr. Manche Familien stehen am Rande des Hungers. Uns bleibt bald nichts anderes übrig, als wieder Haschisch anzubauen.“ Und die absehbare Konfrontation mit der Staatsmacht? „Wir wollen arbeiten und Steuern zahlen. Aber wenn der Staat das Volk aushungert, dann wird es sich erheben.“

Das klingt wie auswendig gelernt, aber es sind keine leeren Worte. Noch immer sind Teile der nördlichen Bekaa der Autorität der Beiruter Regierung entzogen. Fünf Prozent der Anbaufläche, so Mansurs Schätzung, werden bereits wieder mit Hanf bepflanzt. „Ihr werdet bald wieder Roten Libanesen in Deutschland haben.“ Rüdiger Mehltau, Baalbek