Ab heute tagen in Hongkong die Delegierten der Jahrestagung von IWF und Weltbank, die am Dienstag offiziell beginnt. Chinas Reformen und die Schulden sollten im Mittelpunkt stehen - doch die Krise in den "Tigerstaaten" überschattet alles.

Ab heute tagen in Hongkong die Delegierten der Jahrestagung von IWF und Weltbank, die am Dienstag offiziell beginnt. Chinas Reformen und die Schulden sollten im Mittelpunkt stehen – doch die Krise in den „Tigerstaaten“ überschattet alles.

Hoch die internationale Solidität!

Als die Manager des Internationalen Währungsfonds (IWF) und der Weltbank beschlossen, sich zu ihrer jährlichen Tagung in Hongkong zu treffen, da erschien das asiatische Wirtschaftswunder noch in voller Blüte: Immer höhere Wolkenkratzer der Konzerne und Banken wuchsen in den Metropolen zwischen Shanghai und Jakarta in den Himmel, immer grandioser wurden die Visionen der Politiker in Kuala Lumpur oder Bangkok: Stolz präsentierte Malaysias Regierungschef Mahathir Mohamad zum Beispiel der staunenden Öffentlichkeit die Pläne für die modernste Verwaltungsstadt, den größten Staudamm oder das längste Kaufhaus Asiens. Das stärkste Wachstum der Weltwirtschaft des letzten Jahrzehnts schien ihnen einen Erfolgsgipfel sondergleichen zu bescheren.

Seit Thailands Krise ist die Zuversicht geschwunden

Investoren aus Japan, den USA und Europa freuten sich über riesige Aufträge für Kraftwerke, Telefonnetze oder U- und Eisenbahnen aus den jungen „Tigerstaaten“, Banken in Tokio und anderswo bewilligten immer neue Kredite. „In keiner anderen Region gab es ein vergleichbares und anhaltendes Wirtschaftswachstum über drei Jahrzehnte hinweg“, heißt es in einer neuen Studie der Weltbank. Heute gibt es in Asien rund 100 Milliardäre.

Zugleich ging es vielen Menschen besser: In Indonesien mußten noch vor zwanzig Jahren knapp zwei Drittel aller Bürger mit weniger als einem Dollar pro Tag auskommen – heute sind es noch 11 Prozent. In China ist der Anteil der Allerärmsten in der gleichen Zeit von 60 auf 22 Prozent gesunken.

Doch die Zuversicht, daß die Wirtschaftskraft der Tiger unbegrenzt weiter wachsen würde, ist spätestens seit der Finanzkrise in Thailand in diesem Sommer geschwunden: Plötzlich mußten Politiker und Banker eingestehen, daß sie sich – willig – hatten blenden lassen. Zu viele Hochhäuser, Fabriken, Luxusautos waren auf Pump gekauft. Regierungen und Privatfirmen sind tief verschuldet – und können die Kredite nicht zurückzahlen.

Der Wert des thailändischen Baht stürzte in den Keller und zog die Währungen der Nachbarländer mit hinab. Der IWF bewahrte Thailand mit einem 17-Milliarden- Dollar-Kredit vor der Pleite. Im Gegenzug befahlen die Banker aus Washington der Regierung ein scharfes Sparprogramm und Steuererhöhungen.

Auf dem Hongkonger Treffen werden die Banker und Finanzminister die asiatische Krise debattieren. Dabei will der IWF auch seine zukünftige Politik in der Region ausloten. „Die Hauptfrage ist, welche Rolle der IWF spielen könnte, um so eine Krise zu verhindern“, sagt der belgische Finanzminister Philipp Maystadt, gleichzeitig Chef eines IWF-Komitees.

Asien-Experten raten zwar zu Gelassenheit. Das Wachstum in den Tigerländern werde weiterhin höher sein als in den Industriestaaten. Rund dreißig Prozent aller Einkünfte werden in diesen Ländern gespart und wieder investiert, im Westen liegt die Sparquote bei 20 Prozent oder darunter.

Singapur und Malaysia investierten Milliarden in die Bildung ihrer Bevölkerung. Lediglich das vom Familienclan der Suhartos beherrschte Indonesien mit seinen sozialen Ungleichgewichtigkeiten und Mängeln könnte ein künftiger Problemfall werden.

Selbst der wirtschaftliche Absturz Thailands wäre zu vermeiden gewesen, grummeln die Finanzmanager, wenn die Bangkoker Politiker bereits im vorigen Jahr auf die Warnungen des IWF gehört hätten. Damals schon hatten die Banker hohe Verschuldung und undurchsichtiges Finanzgebaren bemängelt. Deshalb steht in Hongkong die Frage im Vordergrund, wie der IWF und die Weltbank Druck auf die unsicheren Kantonisten unter den Regierungen ausüben können, bevor das Kind wieder in den Brunnen fällt. Dazu gehört zum Beispiel eine Reform des Bankensystems. Zu viele Kreditinstitute sind zu spendabel und kontrollieren ihre Kunden nicht sorgfältig genug.

Die Korruption oder das Ausland – wer ist schuld?

In Thailand zeigte sich, daß Milliarden Dollar in die Taschen korrupter Politiker und Geschäftsleute wanderten, die wiederum in den Aufsichtsräten der Kreditinstitute saßen. Nur eine stärkere demokratische Kontrolle und unabhängige Institutionen können nach Ansicht von Kritikern solche Auswüchse verhindern.

Der malaysische Ministerpräsident Mahathir Mohamad, der jüngst zähneknirschend eine Reihe seiner teuren Prestigeprojekte streichen oder auf Eis legen mußte, ist allerdings anderer Meinung. Er macht ausländische Spekulanten und westliche Regierungen sowie IWF und Weltbank für die Talfahrt der asiatischen Ökonomien verantwortlich. Er beschuldigte zum Beispiel „schurkische Spekulanten“ wie den Multimilliardär George Soros, er wolle aufstrebende Länder der Dritten Welt schwächen, weil ihm ihre Menschenrechtspolitik nicht passe. Jutta Lietsch, Bangkok