Eine Horrorfahrt unter Eskorte

■ In der Türkei regiert am Ende der Friedensfahrt nach Kurdistan die Repression gegen die TeilnehmerInnen

Istanbul (taz) – Die ausländischen Friedensdelegationen, unter ihnen rund 100 Deutsche, die vergeblich versucht hatten, am Antikriegstag ins kurdische Diyarbakir einzureisen, sind weiterhin polizeilicher Verfolgung ausgesetzt. Eine gestern vormittag angesagte Pressekonferenz im Istanbuler Hotel „Pera Palas“ konnte nicht stattfinden, weil Polizeieinheiten die Zugänge zum Hotel blockiert hatten. Es habe keine Genehmigung für eine Pressekonferenz vorgelegen, erklärte die Polizei zur Begründung. Der bekannte türkische Menschenrechtler Sanar Yurdatapan widersprach: „Es ist vollkommen gegen die türkischen Gesetze, daß sie unsere Pressekonferenz verboten haben“, sagte er. Die Hotels, in denen die rund 300 Delegationsteilnehmer untergebracht sind, stehen unter polizeilicher Observation.

Während der sechzigstündigen Busreise – insgesamt waren nach einer Kundgebung in Istanbul sieben Busse in Richtung Diyarbakir gestartet – waren die Teilnehmer ungeheuren Brutalitäten seitens Polizei und Militär ausgesetzt.

Nahe der kurdischen Stadt Siverek versperrten zwei Panzer, die ihre Geschütze auf die Busse richteten, den Weg. Die Busse wurden von Militär eingekesselt. Den Delegationsteilnehmern blieb nichts anderes übrig, als eskortiert von Polizei und Militär die Rückreise anzutreten. Um jeden Preis wollten die türkischen Behörden verhindern, daß Kontakt zur Bevölkerung entstand. „Als ich den Bus verlassen wollte, hatte ich ein Maschinengewehr unter der Nase und wurde zurückgestoßen“, berichtet der Arzt Knut Rauchfuss, der zu den deutschen Delegationsteilnehmern gehört. Anderen erging es schlimmer. Der Beifahrer eines Busses wurde in Urfa dermaßen verprügelt, daß ihm das Schlüsselbein brach. „Ich habe ihn dann im Bus untersucht“, sagt Rauchfuss. „Doch in Urfa konnten wir ihn nicht ins Krankenhaus bringen.“ Die Teilnehmer berichten von einer Horrorfahrt ohne Wasservorräte, ohne Lebensmittel und ohne die Möglichkeit, auf eine Toilette zu gehen.

Ursprünglich war eine Pressekonferenz in der türkischen Hauptstadt Ankara angesagt. Doch auch Ankara war verbotenes Gebiet für die Friedensdelegationen. Nach Ankunft zahlreicher Diplomaten europäischer Staaten – die Deutschen kamen als letzte – wurde verhandelt und der Delegation bis Istanbul freies Geleit zugesichert. Zum endgültigen Schlag holte die Polizei schließlich Dienstag abend aus. Auf einer Autobahnmautstelle wurden die Busse festgehalten. Fünfzehn Personen, unter ihnen bekannte türkische und kurdische Persönlichkeiten, sowie zwei Schweizer Bürger wurden festgenommen. „Der Schweizer Peter Fray, ein älterer Mann, wurde zuerst fortgezerrt und geschubst, man zog ihm die Beine weg. Sie prügelten ihn am Boden und brachten ihn schließlich weg,“ berichtet ein Delegationsmitglied.

Rauchfuss, der mit der Polizei zu verhandeln versuchte, sah sich mit einem selbstbewußten Einsatzleiter konfrontiert: „Euer Innenminister Manfred Kanther hat doch gesagt, daß die Teilnehmer PKK-Terroristen sind.“ Ömer Erzeren

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