Deal mit der Bundesanwaltschaft

■ Im Düsseldorfer Kurdenprozeß senden alle Beteiligten Entspannungssignale aus. Urteil wird für Dienstag erwartet

Düsseldorf (taz) – Die Karlsruher Bundesanwaltschaft hat mit einem Mittelsmann Abdullah Öcalans, Chef der in der Bundesrepublik verbotenen Kurdischen Arbeiterpartei (PKK), gesprochen. Als Vermittler trat dabei der aus dem Iran stammende Kurde Ali Ghasi auf. Abgesandte Öcalans trafen sich im Laufe der Verhandlungen auch mit den Angeklagten in Düsseldorf und deren Verteidigern. Diese Gespräche führten zu einer „Vereinbarung“ zwischen allen Prozeßparteien, die den angeklagten hohen PKK-Funktionären Haydar Ergül (41) und Nihat Asut (35) schon in wenigen Monaten die Freiheit bescheren dürfte.

Kommenden Dienstag will das Oberlandesgericht sein Urteil sprechen. Die Richter sind bei der Strafzumessung zwar formal an keine Vorgabe gebunden, aber alle Prozeßbeteiligten gehen davon aus, daß eine Verurteilung nach dem ausgehandelten Strafmaß erfolgt. Danach wird Ergül für die angeklagten Einzeldelikte im Zusammenhang mit der Anschlagserie auf türkische Einrichtungen im Jahr 1993 zu fünf Jahren und neun Monaten Haft verurteilt, während Asut mit einer Strafe von fünf Jahren rechnen muß. Nach Verbüßung der Hälfte dieser Strafen kommen die beiden frei. Unter Anrechnung der U-Haft öffnen sich für sie deshalb schon in wenigen Monaten die Gefängnistore. Den Vorwurf der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung (§129a StGB) hat die Bundesanwaltschaft eingestellt. Im Gegenzug raümten die Angeklagten in einem Brief ein, innerhalb der PKK- Organisation ERNK „Verantwortung“ ausgeübt zu haben. Außerdem enthält der Brief eine Absage an Gewaltakte in Deutschland. Während die Verteidigung diesen Brief ausdrücklich nicht als Schuldeingeständnis wertet, behandelt die Bundesanwaltschaft den Text wie ein Geständnis. Erst dadurch wurde die Halbstrafenregelung möglich.

Um die Gesichtswahrung auf beiden Seiten zu gewährleisten, kam es zu einer juristisch delikaten Nebenabsprache bezüglich des Briefes. Verabredungsgemäß beschlagnahmten die Behörden den von Ergül an eine Freundin adressierten Brief. Unter Bezug auf eine Öcalan-Aüßerung – „Wir haben Fehler gemacht. [...] Trotz der großen Meinungsunterschiede zwischen uns und der Bundesrepublik Deutschland werden wir keine Gewalt mehr anwenden und die Gesetze beachten“ – schreibt Ergül darin wörtlich: „Ich mache mir diese Gedanken zu eigen und schließe mich ihnen an.“

Aus Sicht der Verteidigung kam die einvernehmliche Beendigung des Verfahrens jetzt zustande, weil die Bundesanwaltschaft selbst bemüht sei, so Verteidiger Carl Heydenreich, „den Komplex PKK abzuschließen“. Eine Fortsetzung des bisherigen Kurses, PKK-Anhänger als Mitglieder einer terroristischen Vereinigung zu verfolgen, werde inzwischen von vielen innerhalb des deutschen Sicherheitsapparates als „kontraproduktiv“ betrachtet.

Auch wenn Heydenreich die Anklage nach wie vor als „absolut fragwürdig“ bewertet, hat er wie seine Verteidigerkollegen dem Deal zugestimmt, weil nur auf diesem Wege die baldige Freilassung ihrer Mandanten zu erreichen gewesen sei. Oberstaatsanwalt Thomas Beck gab den Angeklagten zu bedenken, „daß Sie hier mit einem großen Vertrauensvorschuß aus diesem Verfahren hinausgehen“.

Aus Sicht der Verteidigung kann dieser neue Kurs auf Dauer nur dann Erfolg haben, wenn das PKK-Verbot „vom Tisch kommt“. Um das zu erreichen, müsse die Bundesanwaltschaft nun „ihren politischen Einfluß“ geltend machen. Bundesinnenminister Manfred Kanther, der mit dem Durchfahrverbot für den kurdischen „Friedenszug“ gerade erst wieder für eine neue Zuspitzung gesorgt hat, dürften die moderaten Töne aus Düsseldorf kaum behagen. Walter Jakobs

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