Stabiler nur im Westen

■ Die Arbeitslosenzahl stieg im Juli um 132.000 Jobsuchende auf nun 4,354 Millionen Frauen und Männer, die arbeitslos sind

Nürnberg (taz) – Erst war es der zu kalte Winter, dann das verspätete Frühjahr; jetzt ist es die „Sommerpause“, die nach offizieller Sprachregelung der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit den Arbeitsmarkt belastet. Ende Juli registrierten die Arbeitsämter 4,354 Millionen Arbeitslose. Das sind 132.000 mehr als im Vormonat und knapp eine halbe Million mehr (443.000) als vor einem Jahr.

Der Anstieg im Juli war dieses Mal stärker als jahreszeitlich üblich. Mehr Sorge bereitet dem Präsidenten der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit (BfA), Bernhard Jagoda, jedoch die „zunehmende Schieflage“ auf dem deutschen Arbeitsmarkt, Ost und West drifteten zusehends auseinander.

In Westen waren Ende Juli 2,99 Millionen Menschen ohne Arbeit, die Quote betrug 9,7 Prozent. Im Osten ist die Quote mit 18,1 Prozent nahezu doppelt so hoch; die Arbeitsämter zählten dort 1,36 Millionen Arbeitslose. Gegenüber dem Vormonat kamen in den alten Bundesländern 66.000, in den neuen 65.000 Arbeitslose hinzu.

Trotz dieses annähernd gleichen Anstiegs stellen die Arbeitsmarktstatistiker für die alten Bundesländer eine „langsame Stabilisierung“ fest, während die Tendenz in den neuen Ländern „weiterhin nach unten“ gehe. So hat sich der Vorjahresabstand der Arbeitslosenzahlen im Westen „deutlich verringert“, im Osten dagegen „spürbar vergrößert“.

Dort macht sich das im Verhältnis zum Westen geringe Gewicht der Exportindustrie, die anhaltende Schwäche in der Baubranche und die Einsparungen bei Arbeitsbeschaffungs- und Umschulungsmaßnahmen belastend bemerkbar.

Gerhard Kleinhenz, Chef des BfA-eigenen Instituts für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB), wollte angesichts der Daten keine Prognose für die weitere Entwicklung des Arbeitsmarktes abgeben: „Wir befinden uns jetzt in der Talsohle, aber wir wissen nicht, wie lange sich das Tal ausdehnt.“

Eine „Explosion der Arbeitslosenzahlen bis zum Jahr 2010“ sagte hingegen der Präsident der Bundesanstalt für Arbeit, Jagoda, voraus, wenn sich die Lage auf dem Lehrstellenmarkt nicht langfristig verbessere. Bereits heute sei die Arbeitslosenquote für Ungelernte rund dreimal so hoch wie für Personen mit betrieblicher Ausbildung. Zudem werde sich der Anteil der Arbeitsplätze für Ungelernte, der 1994 immerhin zwanzig Prozent betrug, bis zum Jahr 2010 halbieren.

Angesichts dieser „hohen Bedeutung einer guten Ausbildung“ ist für Jagoda ein ausreichendes Angebot an Ausbildungsstellen eine „Frage, die die ganze Nation angeht“. Derzeit sind jedoch noch 216.600 Jugendliche ohne Ausbildungsstelle – 19 Prozent mehr als im Vorjahr. Ihnen stehen lediglich 86.200 offene Ausbildungsplätze gegenüber, also acht Prozent weniger als 1996. Bernd Siegler