■ Vorschlag
: Legen die Ohren an die Schiene: Freundeskreis aus Stuttgart

Von den Fantastischen Vier mag man ja halten, was man will: In der Schwabenmetropole Stuttgart haben sie einiges auf den HipHop-Weg gebracht. Erfreute man sich dort letztes Jahr am Debüt der Massiven Töne, so brechen in diesem Sommer die HipHopper vom Feundeskreis mit ihrer HipHop-Schnulze „A.N.N.A.“ die Charts. Produktionstechnisch befinden sich die vier vom Freundeskreis zwar unter den Fittichen der Fantas, doch inhaltlich scheinen sie sich mit aller Macht dagegen zu wehren.

So lassen sich die beiden Rapper Sekou und Max im Info der Plattenfirma vorstellen als Söhne von Eltern, die bei der Black-Panther- und der marxistischen Studentenbewegung engagiert waren. Hut ab! In den Songtexten versucht der Freundeskreis, über den Tellerrand der eigenen langweiligen Wohlbehütetheit hinauszublicken, und bastelt Analogien von Zeitgeschichte und eigener Biographie: „1973, meine Mutter preßte, gebar und liebt mich, trägt mich an der Brust, stillt und wiegt mich, indes 'ne Mutter mit Sohn in Kambodscha den Schuß zu spät sah, er wäre, wie ich jetzt, dreiundzwanzig.“ Ihre Ohren legen sie an die Schienen der Geschichte (Songtitel!), sind mit Herz und offenen Augen Teil davon, immer in der Hoffnung, nicht einfach überfahren zu werden.

Noch peinlicher wird es, wenn sie in einem Song „Niggas, Polacken, Malagas, Kanaken“ und andere auffordern, sie nicht allein zu lassen, oder allzu plakativ Texte von Ulrike Meinhof und Abu Jamal gegeneinander crosstracken. In Ordnung geht da schon eher eine Zeile wie „Denk an den Stumpfsinn, wenn du ,keep it real' in den Mund nimmst“, oder auch eine Coverversion von Udo Lindenberg, für die man schon einiges an Mut (und Humor) aufbringen muß.

Stolpert der Freundeskreis so noch etwas unbeholfen durch die Weltgeschichte, fragt er sich dauernd, was richtig und was falsch ist, schnurrt er im Hinblick auf Reimtechnik und Popkompatibilität jedoch mehr als rund und gleichmäßig. Das flüssig gehauchte „You just a part of it“ vom „Leg dein Ohr auf die Schiene der Geschichte“ und natürlich die Schwitters-Adaption „A.N.N.A.“ gehören zu den Sommerhighlights dieses Jahres; sie sind so schmoovy, daß sie sich auch hinter den Knallern eines Puff Daddy nicht zu verstecken brauchen. Gerrit Bartels

Ab 21 Uhr in der Arena, Eichenstr. 4, Treptow