Rügens Angst vor dem Putbus-Erben

Franz von Putbus klagt um 15.000 Hektar Alteigentum. Rund ein Sechstel der Insel Rügen betroffen. Im größten Restitutionsfall Mecklenburg-Vorpommerns fällt heute ein Urteil  ■ Von Constanze von Bullion

Um Äcker geht es und um Bauernhöfe, um Kirchen, Häfen und Kreidebrüche. Vor dem Verwaltungsgericht Greifswald wird heute über die größte Restitutionsklage in Mecklenburg-Vorpommern entschieden. 15.000 Hektar Land, ein Sechstel der Insel Rügen, beansprucht der Düsseldorfer Rentner Franz von Putbus. Der ehemalige Chemieunternehmer beruft sich auf politische Verfolgung seines Vaters durch die Nationalsozialisten. Und bringt durch unfeine Grundstücksgeschäfte eine ganze Region gegen sich auf.

Was der Kläger fordert, sind die Güter seines Vaters Malte von Putbus. Dem Großgrundbesitzer gehörten bis 1945 zahlreiche Immobilien auf Rügen, die zu DDR- Zeiten Volkseigentum wurden. Nach der Wende fielen sie an Treuhand und Land; viele der Grundstücke sollen verkauft werden. Doch entschieden werden kann nichts, der Prozeß um die Rückerstattung schleppt sich seit Jahren hin. Auch nach dem heutigen Urteil wird der Streit vermutlich weitergehen. Die Sache ist knifflig.

Zwei Fragen wurden vor Gericht immer wieder gestellt. Erstens: War Malte von Putbus, der Vater des Klägers, ein politisch Verfolgter des Nationalsozialismus? Wenn ja, dann haben seine Erben Anspruch auf die Äcker, die ihm gehörten. Vorausgesetzt, und das ist die zweite Frage, die geklärt werden mußte, das Land wurde von den Nazis beschlagnahmt. Denn nur, wer von Hitlers Handlangern um sein Eigentum gebracht wurde, hat heute Chancen auf Rückerstattung. Wessen Grund dagegen nach 1945 von der sowjetischen Besatzungsmächten enteignet wurde, geht nicht an die früheren Besitzer zurück.

Ein Opfer des Nationalsozialismus war Malte von Putbus, soviel steht fest. Der Pommersche Gutsbesitzer starb im Februar 1945 im Konzentrationslager Sachsenhausen. Widerstandkämpfer aus dem Kreis des 20. Juli seien in seinem Haus „ein- und ausgegangen“, sagt Burkhard Messerschmidt, der den Sohn des Großgrundbesitzers vertritt. Die Nazis, so der Jurist, hätten Putbus „mit politischen Verfahren überzogen“.

Der Mann war keineswegs ein Regimekritiker der ersten Stunde, weiß jedoch die Gegenseite zu berichten. Hartmut Meyer-Bahlburg, Chef des Landesamtes, zur Regelung offener Vermögensfragen (Larov) in Schwerin hat die nationalsozialistischen Aufrufe gelesen, mit denen Malte von Putbus 1934 sein Erbe auf Rügen antrat. „Als Parteigenosse“, meint er, „hat Putbus das System mitgetragen.“

Ob es Querelen mit dem örtlichen Gauleiter waren, die 1944 zu Putbus' Verhaftung führten, oder ob ihn die blindwütige Verschwörerjagd nach dem Attentat auf Hitler das Leben kostete, wird wohl nie mehr ganz geklärt werden können. Klar ist nur: Ein Bevollmächtigter des Grundherren verkaufte noch nach dessen Verhaftung 25 Grundstücke aus dem Anwesen. Für den Larov-Chef in Schwerin ist das „das stärkste Indiz dafür, daß das Land nicht von den Nazis beschlagnahmt worden war“.

Wie auch immer das Urteil heute ausfällt, für viele Bewohner Rügens kommt es zu spät. Wo Grundstückskäufe blockiert, Kredite abgelehnt und Investoren abgeschreckt wurden, läßt der Aufschwung auf sich warten. Mißtrauen ist in den Dörfern eingezogen, seit die Vertreter der Muttland-Aufbaugesellschaft hier auftauchten. Der Firma aus Berlin hat Franz von Putbus seine Ansprüche übertragen, nachdem Mecklenburg-Vorpommern einen Kompromiß in Sachen Alteigentum ablehnte. Seither ist der 70jährige größter Gesellschafter in dem Unternehmen, das aus dem schwelenden Streit um den Boden ein ansehnliches Kapital schlägt.

Denn wer befürchtet, vom Alteigner aus dem Haus geworfen zu werden und die Warterei nicht mehr finanzieren kann, der kauft sich frei. Bis zu 300.000 Mark haben die Landwirte der Region an die Muttland-Gesellschaft gezahlt, damit die Klage um ihr Stück Land zurückgezogen wird. Ein Ablaßhandel, meinen die einen. Erpressung, sagen die anderen. Ob die undurchsichtigen Geschäfte ein Ende haben, wenn der Urteilsspruch verkündet ist, fragen sich inzwischen alle. Denn verliert Franz von Putbus, dann will er bis zum Verfassungsgericht weiterziehen. Der Alteigner spielt auf Zeit. Die unschönen Geschäfte erledigen ihm andere.