Echt sein muß hier überhaupt nichts

■ Wem in der "Lindenstraße" gehören eigentlich die Alarmanlage und die Spiegeleierpfanne? Und in welcher Küche stehen die Futternäpfe? Heute haben Sie die Gelegenheit, Ihre Requisiten-Kenntnisse aus Deuts

Die „Lindenstraße“: Wenn man näher rangeht, riecht die berühmteste Gasse Deutschlands verdammt nach Betrug! Dr. Dresslers geliebt Klassik-Plattensammlung zum Beispiel: „Partyknaller“, „Falco“, „25 Super-Oldys, Folge IV“ ... Fast 200 LPs stehen da in Dresslers Schrank, und nicht eine davon ist wirklich von Wagner, Bruckner oder Haydn! Wenn das die Fans wüßten! Oder hier: die Alarmanlage – eine Attrappe! Gar nicht angeschlossen! Da könnten rudelweise Mafiosi bei der Besitzerin eindringen, und dieses Ding würde trotzdem keinen Piep von sich geben!

Der diensthabende „Lindenstraße“-Szenenbildner Alexander Leitzbach-Dahl grinst: „Echt sein muß hier gar nichts. Es muß nur echt aussehen! Und glauben Sie mir: Wir machen, daß es echt aussieht!“

Am 1. Juni wurde die „Lindenstraße“ 600 Folgen alt. Für die Requisite war dieses Datum weniger aufwendig. Erst in Folge 602/603 zeigte sich wieder richtig, was Leitzbach-Dahl und seine Crew alles auf die Beine stellen können: Einen waschecht nachgebauten griechischen Innenhof zum Beispiel. Oder Folge 607 (17.7.): Da zog Carsten Flöter um! Raus aus der WG von Urzula Winicki und hinein in die neue gemeinsame Wohnung mit Boyfriend Theo Klages. Für die Requisite heißt das Arbeit. Viel Arbeit!

Jeder Requisitenfehler rächt sich sofort

Alexander Leitzbach-Dahl erklärt: „Wir müssen die Figuren alle sehr gut kennen, sonst können wir ja noch nicht mal entscheiden, welche Tapete sich Carsten Flöter an die Wand kleben würde.“ Und die Überlegungen gehen noch weiter: Welche alten Möbel nimmt Carsten mit? Was muß er neu kaufen? Hat er überhaupt das Geld, sich etwas Neues zu kaufen? Und nicht zuletzt: Wie ersetzen Urzula und ihr „schöner Italiener“ nach Carstens Auszug das plötzlich fehlende Mobiliar in der WG?

Den Augen der Fans entgeht nichts. Jeder noch so kleine Requisitenfehler rächt sich postwendend in der Zuschauerpost. Vorsicht ist deshalb geboten. Bei den echten Topfpflanzen der Grieses und Schillers zum Beispiel. Die sind alle durchnumeriert! In den Studios gibt es keine Fenster, also muß alles, was lebt und Licht braucht, nach dem Dreh entfernt und später wieder hingestellt werden. Akribische Ordnung herrscht natürlich auch an selten benutzten Außendrehorten wie zum Beispiel in Hans Beimers Amt oder in Iffi Zenkers Schulräumen.

Alles da: Hummer und widerliche Ölbilder

In der Regel ist das Aufspüren solcher Örtlichkeiten übrigens kein Problem für die Szenebild-Crew. Nur manchmal gibt es Schwierigkeiten, beispielsweise als Ex-Priester „Stör ich?“ Steinbrück auf den Schienen der Bundesbahn überfahren werden sollte. Leitzbach- Dahl zuckt die Achseln: „Wir haben da einfach keine Drehgenehmigung bekommen. Die hatten Angst vor einem schlechten Image.“ So wurde Steinbrück also weiland auf den Schienen einer Privatbahn zerstückelt. Und Momo Sperlings Stricherszenen auf dem Bahnhofsklo wurden in Wirklichkeit in einem Einkaufszentrum gedreht, weil auch hier die Deutsche Bahn um ihren Ruf fürchtete. „Die eigentliche Toilette mußten wir dann sogar selber bauen. Das ist halt alles ziemlich aufwendig.“

Rund 330.000 Mark kostet eine sendefertige Folge „Lindenstraße“, aber da ist dann wirklich alles mit drin: Franz Schildknechts widerliche Ölbilder, Olav Klings Akkordeon, Maxels Schulranzen und echter Hummer in Aspik in Isoldes Edelrestaurant „Cassarotti“. Gekocht wird der übrigens, genau wie Helgas Spiegeleier, in einer winzigen Küche der Requisite. Es ist eben nicht alles so wahr und einfach in der „Lindenstraße“, wie es da sonntags immer daherflimmert. Es ist Magie. Die Magie der Requisiteure! Frank M. Ziegler