Der Club in der Murmelliga

Offenbar besonnen geht die Führung des 1. FC Nürnberg die 2. Fußballbundesliga an – die echten Clubberer geben sich indessen weniger bescheiden  ■ Von Bernd Siegler

Nürnberg (taz) – Zehn Jahre alt war er, als ihn sein Vater zum erstenmal ins Stadion mitnahm. Es war ein Samstag im Winter 1980. Der 1. FC Nürnberg spielte gegen die Offenbacher Kickers – und kam über ein mageres 1:1 nicht hinaus. „Saukalt war's und ein grottenschlechtes Spiel“, erinnert sich Bernd Promberger. Trotzdem, es war der Beginn einer Leidenschaft, die bis heute andauert.

Daß Leidenschaft für den „Club“ viel mit Leiden zu tun hat, diese Lektion lernte Anhänger Promberger, den alle Prommi nennen, in den nächsten Jahren gründlich: „Wir waren das Absteigen ja fast schon gewohnt.“ Als der 1.FCN dann in der vergangenen Saison in der Regionalliga kickte, war Promberger fast froh, denn er hoffte nun auf einen „Neuanfang“.

Präsident Michael A. Roth, wegen seiner Alleinherrschaft und rigorosen Personalpolitik stets umstritten, ging nach dem Sturz in die Drittklassigkeit volles Risiko ein. „Ich werde alles richten, und in einem Jahr werden alle zufrieden sein“, hatte der Besitzer von 115 Filialen für Bodenbeläge versprochen.

Mit einem Etat von 10 Millionen Mark war der 1. FCN den übrigen Regionalligisten weit voraus. Die Mannschaft konnte weiter unter Profibedingungen trainieren. Die Rechnung ging auf. Unangefochten wurde der Club Meister der Regionalliga Süd. Und nicht nur das: 15.700 Zuschauer wollten im Schnitt die Heimspiele gegen Dorfvereine wie Weismain, Egelsbach oder Ditzingen sehen. Am letzten Spieltag stürmten die Anhänger den Rasen des Frankenstadions, als gelte es die zehnte Deutsche Meisterschaft zu feiern. „Wir sind eben leidens- und begeisterungsfähig“, analysiert Promberger. „Das schweißt zusammen.“ Die Ansprüche eines Clubberers sind indes mit dem Erreichen der 2. Liga natürlich nicht erfüllt. „Was wollen wir in dieser Murmelliga“, fragt sich Promberger. Dann spricht er den magischen Satz eines Clubberers aus: „Der Club gehört in die Bundesliga.“ Daß es nicht mehr gegen Reutlingen, Ulm und Burghausen geht, sondern daß man am Sonntag zum Ligaauftakt nach Gütersloh darf, macht für ihn keinen Unterschied. Fast keinen. „Das spielerische Niveau ist gleich“, behauptet er, „nur die Entfernungen zu den Auswärtsspielen sind jetzt größer.“

In der Vereinsspitze gibt man sich zurückhaltender – ganz gegen die seit mindestens dreißig Jahren peflegte Tradition. Niemand gibt als Devise den Durchmarsch in die Bundesliga aus. „Der Aufstieg ist ein Ziel, aber keineswegs ein Muß“, so hat das Präsident Roth formuliert. Trainer Willi Entenmann hat das Team, wie gefordert, ohne große Probleme aus der Regionalliga manövriert. Nun will er zumindest „vorne mitspielen“. Mannschaftskapitän Peter Knäbel ist noch bescheidener. Der will „keine schlechte Figur abgeben“.

Ist man beim Club besonnener geworden? Man verzichtete auf den Einkauf teurer, in die Jahre gekommener Starspieler. Das hat nichts mit fehlendem Geld zu tun. Von den einstigen 30 Millionen Mark Schulden sind knapp sechs Millionen geblieben. Das liegt durchaus in der Größenordnung anderer Profivereine. Nein, man versuchte sich dieses Mal gezielt zu verstärken, ohne viel auszugeben: Klopper Helmut Rahner (vom KFC Uerdingen) und Torwart Rainer Berg (1860 München) kamen für die Abwehr, der tschechische Nationalspieler Daniel Semjkal (Slavia Prag) und Thomas Ziemer (Hansa Rostock) für das Mittelfeld, Martin Driller (FC St. Pauli) sowie Roman Hogen (FK Blasny) für den Sturm.

Doch ewig wollen auch die Funktionäre des 1. FCN natürlich nicht zweitklassig bleiben. „Spätestens im Jahr 2000, zu unserem 100. Geburtstag, müssen wir in der 1. Liga spielen“, fordert Roth.

Um die Betreuung der Fans zu intensivieren, hat er seit ein paar Monaten einen Fanbeauftragten angestellt. Sein Name: Bernd Promberger. Statt BMWs zu verkaufen, organisiert Prommi nun hauptamtlich Fahrten zu Auswärtsspielen, Fanfeste und Autogrammstunden. Seitdem hört er von den Fans ungewohnte Töne: „Du bist keiner mehr von uns, du bist im Präsidium.“ Von den Präsidiumsmitgliedern wird er aber nur als Fan betrachtet. So sitzt der Fanbeauftragte Promberger nun zwischen den Stühlen. Er selbst ist sich seiner Sache freilich sicher: „Ich bin“, sagt er, „der gleiche Clubberer wie vorher auch.“