Verbrecher nutzen die Umstände

■ Polizistenstreik in Brasilien. Die Armee soll einspringen

Rio de Janeiro (AP) – Ein Polizistenstreik hat in fünf der 26 brasilianischen Staaten eine Verbrechenswelle ausgelöst, zu deren Eindämmung Militär mobilisiert wurde. Wie brasilianische Medien berichteten, treiben seit den am Freitag begonnenen Ausständen in den nördlichen Staaten Alagoas und Pernambuco sowie Mato Grosso do Sul im Westen Bankräuber, Plünderer und Verkehrsrowdies verstärkt ihr Unwesen.

In Recife, der Hauptstadt Pernambucos, wurden nach Angaben der Behörden acht Banken überfallen und viele Geschäfte geplündert. Der Bus- und U-Bahn-Verkehr sei in Vierteln eingestellt worden, in denen sich Überfälle gehäuft hätten, Theater hätten ihre Vorstellungen abgesagt. Gouverneur Miguel Arraes hat Soldaten für Streifengänge und den Schutz seiner Residenz angefordert. „Mit der Aufgabe ihrer Grundaufgaben hat die Polizei die öffentliche Ordnung destabilisiert“, erklärte Regierungssprecher Jair Pereira.

In Campo Grande, der Hauptstadt von Mato Grosso del Sul, rebellierten am Wochenende Häftlinge in vier Gefängnissen. Auch hier wurde die Armee angefordert. Nach Alagoas wurden nach einer Schießerei zwischen Truppen und streikenden Polizisten am Samstag 600 Soldaten zur Verstärkung entsandt. Dabei waren vier Polizisten verwundet worden. 3.000 Soldaten patrouillierten in den Straßen der Hauptstadt Maceio.

Die Streikwelle hatte im vergangenen Monat in Minas Gerais begonnen, dessen Gouverneur schließlich einer 48prozentigen Lohnerhöhung zustimmte. Im Bundesstaat Brasilien ist Polizei Ländersache, das Militär untersteht dem Bund. Seit Minas Gerais waren Polizisten in fünf weiteren Staaten in den Streik getreten, in vier wird verhandelt. In São Paulo wollten Polizisten gestern über einen Streik entscheiden. Der Vizepräsident der Polizeigewerkschaft von Rio de Janeiro, Gemerson Henrique Dias, erklärte: „Wir rufen die Öffentlichkeit zur Hilfe. Wir verdienen nicht genug, um unsere Familien zu ernähren.“ Die Polizistengehälter liegen im einfachen und mittleren Dienst zwischen 80 und 415 Real (130 und 680 Mark). Ein Polizeioberst in São Paulo erhält 11.000 Real (19.400 Mark) im Monat. Die Lebenshaltungskosten in Brasilien gehören zu den höchsten Lateinamerikas.