Flut, Nato und die EU

■ Hochwasserschäden sind Folge der Modernisierung

Während sich die Militärs in Polen und Tschechien noch über die bevorstehende Aufnahme in die Nato freuten, zeigte sich an anderer Stelle der desolate Zustand ihrer Truppen. Die Militärs sehen sich dem berechtigten Vorwurf ausgesetzt, bei ihren Hilfsaktionen gegen das Hochwasser versagt zu haben. Anders hingegen in der Slowakei, dem Land, das die Rolle des mitteleuropäischen Parias mit Hingabe spielt und weder in die Nato noch in die EU aufgenommen wird: Hier hat die Armee die Rolle des Katastrophenschützers zur allgemeinen Zufriedenheit gespielt. Daran ändert auch nichts, daß die Slowakei weniger stark von den Fluten betroffen war als die Nachbarn im Osten und Norden.

Was wie ein Widerspruch zwischen Bündnis- und Einsatzfähigkeit erscheint, sind tatsächlich zwei Seiten der gleichen Medaille. Die Institutionen Polens und Tschechiens befinden sich mitten im demokratischen Wandel, der die gesellschaftlichen Strukturen in der ganzen Tiefe zu verändern beginnt. So hat zur Nato-Fähigkeit Polens maßgeblich die erst vor wenigen Jahren begonnene Demokratisierung des Offizierskorps beigetragen. Die zivilen Einrichtungen suchen noch länger, in Tschechien seit acht, in Polen sogar seit bald zehn Jahren nach ihrem Standort im neuen System. Nahezu gleichzeitig wandeln sich Selbstverständnis und Rolle aller öffentlichen Institutionen. Auf ihrem Weg haben sie dabei unterschiedliche Strecken zurückgelegt. Deswegen reißen die hergebrachten Verantwortlichkeitsketten angesichts von Notstandslagen besonders schnell. Dies hat letzte Woche zu den schweren Koordinations- und Kompetenzmängeln in der militärisch-zivilen Zusammenarbeit geführt. Die Hochwasserschäden in Polen und Tschechien gehören zu den Modernisierungskosten in diesen Ländern.

In der Slowakei hingegen funktionierte die zivil-militärische Zusammenarbeit. Dies gilt im Lande einmal mehr als Beleg dafür, wie richtig der slowakische Weg ist, Modernisierungrisiken des gesellschaftlichen Wandels möglichst zu vermeiden. Und so kann sich die slowakische Regierung, die die westliche Kritik manchmal nur noch mit Verschwörungstheorien erklären kann, einmal mehr verwirrt fragen: Wir haben doch wieder alles richtig gemacht, was ist daran nur falsch? Dietmar Bartz