Standort in Gefahr

■ KZ-Profiteur Diehl wird Ehrenbürger in Nürnberg

Keine andere Stadt in Deutschland wird heute noch so sehr mit dem Nationalsozialismus verbunden wie Nürnberg: Stadt der Reichsparteitage und Namensgeberin für die Rassegesetze. Bis heute wird versucht, dieses Image zu verändern. Zum Beispiel soll ein Dokumentationszentrum auf das Parteitagsgelände. So will man sich offensiv mit der NS-Geschichte der Täter auseinandersetzen.

Mit der Ernennung des Rüstungsfabrikanten Karl Diehl hat man sich der Geschichte nicht gestellt. Wenn schon Diehl selbst nicht die Größe zeigt, seine Vergangenheit offenzulegen, hätte die Stadtspitze dies tun müssen. Sie hätte das Spruchgerichtsurteil oder die Akten bei der Gauck-Behörde einsehen können. Statt dessen akzeptierte man billigste Rechtfertigungen aus dem Hause Diehl. Nicht nur das Produktionsprogramm, Zünder und Granaten, sei der Firma von der NS-Führung diktiert worden, sondern auch die Beschäftigung von KZ-Häftlingen und Zwangsarbeitern, so der Konzern.

Natürlich hat damals nahezu jeder größere Betrieb auf Zwangsarbeiter zurückgegriffen, die deutschen Arbeiter waren ja an der Front. Aber gegen die Beschäftigung von KZ-Häftlingen hätte sich jeder Betrieb verwahren können. Es gibt keinen Beleg, daß sie den Betrieben aufgezwungen wurden. Im Gegenteil: Viele Unternehmer setzten begeistert auf diese billigen Arbeitskräfte. Zudem waren die deutschen „Betriebsführer“ an der Ausgestaltung des NS-Wirtschaftsprogramms mitbeteiligt. Die Wirtschaft war eine zuverlässige Säule des Regimes.

Keines der Unternehmen hielt es nach 1945 für nötig, von ihren zuvor erzielten satten Gewinnen Entschädigungen zu zahlen. Diehl auch nicht. Die Verleihung der Ehrenbürgerwürde an Diehl ist ein Rückschlag. Nicht nur für Nürnberg.

Daß das in Nürnberg niemand stört, hat viel mit den weltweit 12.590 Arbeitsplätzen bei Diehl, davon 4.000 in Nürnberg, zu tun. Die CSU verstand es, das Arbeitsplatzargument auszuspielen – Gewerkschaft und SPD reagierten darauf mit pawlowschem Reflex: Sie wähnten fast den Standort Nürnberg in Gefahr, sollte Diehl nicht Ehrenbürger werden. Ob Diehl der Stadt neben ein paar Chörlein und Brunnen nun nach dem Festakt noch ein paar Arbeitsplätze stiftet? Bernd Siegler

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