Diehls Vergangenheit ausgeblendet

Seit gestern ist Karl Diehl Ehrenbürger Nürnbergs. Über die Vergangenheit des Fabrikanten, der Fremdarbeiter in KZs arbeiten ließ, wurde auf dem Festakt nicht geredet  ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler

Eine schöne, harmonische Feierstunde hätte es werden sollen, die Verleihung der Ehrenbürgerurkunden im festlich geschmückten Nürnberger Rathaussaal. Zuerst spielte das Horvath-Quartett Mozart, dann hielt CSU-Oberbürgermeister Ludwig Scholz, die goldene Amtskette um den Hals, die Laudatio und überreichte schließlich den Ehrenbürgern die Urkunde. Anschließend der Empfang mit Sekt und den für Nürnberg obligatorischen Bratwürsten.

Statt dessen aber stand eine Mahnwache vor dem Eingangsportal mit dem Transparent „Sie nennen ihn Ehrenbürger, aber er ist ein Kriegsgewinnler“. Die Demonstranten lieferten sich hitzige Wortgefechte mit einer Gruppe von Betriebsräten, die im Namen der 12.590 Mitarbeiter ihrem Seniorchef Karl Diehl zur Auszeichnung „auf das herzlichste“ gratulieren. Drinnen dann ein Medienansturm und immer wieder die gleichen Fragen nach der NS-Vergangenheit des Geehrten.

Zu keinem anderen Ehrenbürger-Kandidaten gab und gibt es irgendwelche Diskussionen. Weder zum Speiseeis-Pionier Theo Schöller, der krankheitsbedingt beim Festakt fehlte, noch zum ehemaligen Bundesbauminister Oscar Schneider (CSU), zum Altbürgermeister Willy Prölß (SPD) oder zum Ehrenvorsitzenden der DATEV, Heinz Sebiger. Schon vor der Stadtratsentscheidung am 5. März war allein der Rüstungsfabrikant Karl Diehl umstritten.

Die CSU wollte ihn für seine unternehmerische Leistung und sein Mäzenatentum auszeichnen. Die Grünen waren strikt dagegen, daß Nürnberg, das sich international als „Stadt des Friedens und der Menschenrechte“ profilieren will, einen Rüstungsfabrikanten ehrt, der nach dem Krieg wegen seiner politischen Beziehungen im Dritten Reich Funktionsverbot erhalten hatte. Die SPD hatte zwar auch ihre Bauchschmerzen gegen Diehl, wollte aber die IG Metall nicht verprellen. Die Gewerkschaft lobte den Seniorchef, er habe die Rüstungskonversion ohne größere Entlassungen vollzogen und in dem von Arbeitslosigkeit gebeutelten Nürnberg immerhin knapp viertausend stabile Arbeitsplätze gesichert.

So suchte die CSU ihre Mehrheit bei der FDP, den Freien Wählern und den „Republikanern“ und setzte Diehl als Ehrenbürger durch. Grüne und SPD votierten gegen den Rüstungsfabrikanten. Die Bedenken gegen Diehls Verwicklung in das NS-Regime ignorierte die Stadtratsmehrheit völlig. Zwei Tage vor der Feierstunde berichtete die taz, daß Diehl nicht nur Zwangsarbeiter, sondern auch KZ-Häftlinge beschäftigte. „Diehl ist bereits seit März Ehrenbürger“, konterte die Stadtspitze formal. Während sich die Grünen in ihrer Haltung bestätigt sahen, getraute sich die SPD nicht, in die Offensive zu gehen. Grund genug hätte sie gehabt, denn der Großvater des Neu-Ehrenbürgers Willy Prölß mußte im KZ Flossenbürg im Steinbruch arbeiten. In dem KZ also, unter dessen Kommando das Münchberger Außenlager stand, das für die Heinrich Diehl GmbH produzierte. „Das ist eine Stilfrage, daß ich mich dazu nicht äußere“, sagte Prölß nach dem Festakt, während SPD-Fraktionsvorsitzender Jürgen Fischer erstmals vorsichtig Kritik äußerte. „Ich hätte mir schon von Diehl ein Wort des Bedauerns gewünscht.“ Diehl hielt so etwas jedoch nicht für nötig. Staatliche Maßnahmen hätten „seinerzeit die Beschäftigung von ausländischen Kriegsgefangenen und KZ-Häftlingen erzwungen“, heißt es in der Presseerklärung des Konzerns. Diese „Dienstverpflichtung“ sei also „keine privatwirtschaftliche, von den einzelnen Firmen zu verantwortende Aktion“ gewesen, es liege „kein schuldhaftes Verhalten“ der Firma vor.

Auf das KZ Münchberg geht Diehl nicht ein. Inzwischen steht fest, daß der Name Heinrich Diehl GmbH nicht nur im Zusammenhang mit dem Außenkommando des KZ Flossenbürg auftaucht, sondern auch mit dem KZ Stutthof bei Danzig. Im Aktenplan der Abteilung D II des SS-Wirtschaftsverwaltungshauptamtes vom Juni 1944 ist bei diesem KZ unter der Rubrik „Häftlingseinsatz zum Zwecke der Rüstungsindustrie“ unter der Ziffer „14/17a“ die „Heinrich Diehl GmbH, Nürnberg“ aufgeführt.

Doch dies interessiert Oberbürgermeister Scholz (CSU) nicht. Für ihn ist Diehl wie die anderen Ehrenbürger auch eine „verdiente, hochzuachtende Persönlichkeit, die unserer Stadt immer die Treue gehalten und sich zu ihrem Wohle verdient gemacht“ hat. Das dachten die meisten Gäste des Festaktes auch – demonstrativ laut applaudierte die Mehrheit im Saal, als der 90jährige ausgezeichnet wurde. Während die fünf Grünen- Stadträte bei der Ehrung des Rüstungsfabrikanten aus Protest den Saal verließen, verzichtete so mancher SPD-Stadtrat zumindest auf seinen Applaus. Dafür klatschten die anwesenden Diehl-Betriebsräte um so lauter. „Wenn es ein Mann verdient hat, dann er“, freute sich Betriebsrätin Manuela Holfelder für ihren Seniorchef. „Er ist eine Unternehmerpersönlichkeit, vor der wir Achtung und Respekt haben“, pflichtete ihr Heinz Bauer, seit 37 Jahren bei Diehl, bei. Und für den Gesamtbetriebsratsvorsitzenden Gerhard Bauer zählt sowieso nur eines: „Karl Diehl hat sich immer zum Standort Deutschland bekannt.“