NS-Profiteur Karl Diehl sieht sich frei von Schuld

■ Der neue Nürnberger Ehrenbürger sieht sich vielmehr als Opfer des Naziregimes

Nürnberg (taz) – Schweigend versucht die Nürnberger Stadtspitze, die peinliche Situation zu umschiffen, daß heute mit dem 90jährigen Karl Diehl nicht nur ein Rüstungsfabrikant, sondern auch ein KZ-Profiteur Ehrenbürger der Stadt wird. Nach einer Krisensitzung hat sich die Konzernspitze immerhin zu einer knappen Äußerung durchgerungen: „Die Firma Diehl war im Zweiten Weltkrieg den Zwangsmaßnahmen des nationalsozialistischen Regimes unterworfen. Schuldhaftes Verhalten der Firma und ihrer Entscheidungsträger liegt nachgewiesenermaßen nicht vor.“

Wie die taz berichtete, hat Karl Diehl in der Nazizeit KZ-Häftlinge und Zwangsarbeiter beschäftigt. Im August 1945 erhielt er wegen seiner politischen Beziehungen im Dritten Reich von den Alliierten Funktionsverbot. Mehr als 50 Jahre danach ist man sich bei Diehl noch immer keiner Schuld bewußt. Man fühlt sich statt dessen als Opfer der Nationalsozialisten. Zwangsarbeiter und KZ-Häftlinge seien dem Unternehmen aufgezwungen worden – eine Abwehrstrategie, die deutsche Unternehmen schon zu Beginn der sechziger Jahre angewandt haben, um Entschädigungsforderungen abzuschmettern. Zugeständnisse in Form von minimalen Zahlungen gab es damals nur, wenn irgendwelche geschäftlichen Interessen im Spiel waren. In diesem Zusammenhang taucht der Name Diehl auch beim ersten größeren Rüstungsauftrag auf, den die USA an die Bundesrepublik vergeben haben. Das Pentagon war Ende 1964 interessiert am Kauf der Schnellfeuerkanone HS 820. Der Auftrag hatte ein Volumen von 74,2 Millionen Dollar (damals etwa 300 Millionen Mark). Hersteller der Kanone war Rheinmetall; das Patent besaß die Schweizer Firma Hispano-Suiza, die Munition produzierte Diehl.

Nachdem in den USA bekanntgeworden war, daß Rheinmetall mehr als 5.000 KZ-Insassen beschäftigte und jegliche Schuld abstritt, regte sich Protest gegen dieses Geschäft. Um die Wogen zu glätten, zahlte Rheinmetall insgesamt 2,5 Millionen Mark an die Jewish Claims Conference. Zu dieser Summe soll Diehl 500.000 Mark beigesteuert haben, um sich den Auftrag zu sichern. Bernd Siegler