Norwegens Kickerinnen stehen richtig nackt da

■ Nach dem überraschenden EM-Aus der Favoritin ist die Enttäuschung groß

Moss (taz) – Natürlich ist die Enttäuschung groß. Die norwegische Öffentlichkeit nimmt das frühe EM-Aus ihrer Fußballerinnen keinesfalls gelassen hin. „Alles endete in Tränen“, meldete gestern VG, die größte Zeitung im Lande. Während allerdings zuvor auf dem Titel gejubelt worden war, betrauert das Blatt das unerwartete 0:2 gegen Italien erst auf der siebten Sportseite. Im Moss Avis lautete die Überschrift: „Høgmos schwärzester Sonntag.“

Per-Mathias Høgmo hatte erst in diesem Jahr die Nachfolge des Weltmeisterinnen-Trainers Even Pellerud angetreten. Nun kann er sehen, wo er bleibt, in dem Land, in dem der Frauenfußball weltweit seinen höchsten Stellenwert hat. Zunächst fiel ihm nicht mehr ein, als über die Italienerinnen zu zetern. Die seien unfair gewesen, hätten bei Freistößen den Ball nicht wieder zurückgegeben und dergleichen mehr. Daß Stürmerin Carolina Morace nach ihren beiden Treffern (3., 90.) auch noch dem Publikum aus Schadenfreude den Stinkefinger gezeigt hatte, brachte HØgmo in Rage. Italiens Trainer Sergio Guenza hat sich inzwischen für seinen Star entschuldigt.

Guenza glaubt, es sei sein taktischer Kniff mit der Fünfer-Abwehr gewesen, der Italien ins Halbfinale hievte. „Wir haben zwar erneut Physis und Kondition gezeigt, doch waren technisch nur mittelmäßig und haben sehr viele Fehler im Spiel gehabt“, heißt es in einem Kommentar des Moss Avis. DFB- Trainerin Tina Theune-Meyer sieht als Grund für den überraschenden Leistungsabfall der Weltmeisterin einen Zusammenhang zwischen Physis und Psyche. „Norwegens souveränes 5:0 gegen Dänemark hat Kraft gekostet. Dann haben wir sie beim 0:0 gut beschäftigt. Ich glaube, gegen Italien waren die einfach platt.“

Nicht zu vergessen, die Angelegenheit mit den Pinup-Fotos. „Da gab es wohl doch mehr Unruhe, als an die Öffentlichkeit drang“, mutmaßt die DFB-Trainerin. Stürmerin Linda Medalen und sechs Teamgefährtinnen hatten sich für 15.000 Mark in einer TV-Zeitschrift („Sehen und Hören“) nackt ablichten lassen.

Theune-Meyer sieht die Situation ambivalent: „Für den Verlauf des Turniers ist das nicht gerade gut,“ sagt sie und denkt an den Publikumszuspruch. Andererseits sind die DFB-Frauen ihre gefährlichste Gegnerin los und haben durch das 2:0 über Dänemark Auftrieb bekommen. Gestern hat sich das Team ins schwedische Karlstad aufgemacht, wo frau morgen auf Co-EM-Gastgeberin Schweden trifft. Für die norwegischen Japan- Profis Heidi Störe und Agnete Carlsen ist der Fall klar. „Jetzt ist der Weg frei“, glauben die, „daß Deutschland den Titel verteidigen kann.“ Rainer Hennies