Jetzt „neu“: Gänsefüßchen-„Inflation“!

Wenn man sich mal wieder richtig wundern möchte, dann kann man neuerdings in die nächste Buchhandlung seines Vertrauens schlendern und entdecken, daß es dort nun auch endlich „Englisch“- Wörterbücher gibt. Früher gab es dort ja nur stinknormale Englisch- Wörterbücher.

Aber damit ist jetzt Schluß! Jetzt endlich gibt es das „Englisch“-Wörterbuch! Wir bemerken alle den kleinen Unterschied: Die Anführungszeichen! Beim neuen „Englisch“-Wörterbuch steht nämlich „Englisch“ in Gänsefüßchen. Warum, weiß keiner so genau. Vermutlich ist der gesamte Inhalt des Lexikons französisch. Dann muß man „Englisch“ natürlich in Anführungszeichen setzen. Völlig logisch. So gesehen könnte mein gemütliches Backwarenfachgeschäft nebenan ja auch gut und gerne „Post“ über die Eingangstüre schreiben, oder dieser Bernd von gegenüber, dessen falsch gesetztes Apostroph an Bernd's Fotolädchen mich dauernd so aufregt, der könnte jetzt „Susannes Fotolädchen“ auf seinen Fotoladen schreiben. Und dieses blöde Apostroph wäre endlich weg.

Alles ist möglich mit Anführungszeichen – und wem das inflationär geschriebene „“ noch nicht ausreicht, der eile hurtig in ein psychologisches oder pädagogisches Seminar seiner Stammuniversität und lausche dort den angeregt-betroffenen Gesprächen zum Thema Behindertenintegration oder Ausländerfeindlichkeit. Heißa, wie wird da verbal und körpersprachlich in Anführungszeichen gesetzt, daß es eine Freude ist!

Zitat: „Also, wenn jetzt zum Beispiel ein Arzt zu einem – in Anführungszeichen – „Neger“ sagt, sie sind ja so – in Anführungszeichen – „schwarz“...“ Huch! Eilig fuchtelt der Vortragende an diesen Stellen mit den Händen in der Uniluft herum und krümmt wild Zeige- und Mittelfinger beider Hände, damit ja niemand argwöhne, er wollte die Worte „Neger“ oder „schwarz“ womöglich „abwertend oder so“ verstanden wissen. Um dies zu verdeutlichen, muß er natürlich gleichzeitig auch unbedingt „In Anführungszeichen!!“ rufen, damit auch alle wissen, wie er das meint. Früher wußte man das natürlich auch ohne dieses Gehabe, aber gegenseitiges Verständnis wird nun mal wirklich immer komplizierter. Da ist es schon schön, wenn man etwas in Anführungsstriche setzen kann. Und dann schreibt man es auf Wörterbücher, Ladengeschäfte oder in die Luft, und alles ist gut und wird viel verständlicher. Dann begrüßt uns die blöde Nachbarin von gegenüber vielleicht demnächst mit einem freundlichen „Na, wie geht's Ihnen denn, in Anführungszeichen?“, und dann wissen wir, daß es ihr schnurzegal ist, wie es uns geht. Das hat ja auch etwas für sich. So frei heraus wurde lang nicht mehr gesprochen. Und wenn wir demnächst im Kühlregal „frische Butter“ statt frischer Butter entdecken, dann wissen wir ja, was die Stunde in „ALDI's Supermarkt“ geschlagen hat. Bloß nicht kaufen! Ist vermutlich alte Leberwurst drin! Frank M.Ziegler