Nur Bodennutzung wird geschützt

■ Länder bemängeln Bodenschutzgesetz: Heute wird der Bundesrat den Merkel-Entwurf wahrscheinlich ablehnen

Hannover (taz) – Über vierzig Änderungsforderungen wird die SPD-Mehrheit im Bundesrat heute anmelden, wenn die Länderkammer über das vor drei Wochen im Bundestag verabschiedete Bodenschutzgesetz debattiert. Das von Bundesumweltministerin Angela Merkel (CDU) konzipierte Gesetz soll eigentlich eine der letzten Lücken beim Schutz der natürlichen Lebensgrundlagen endlich schließen, wie es Artikel 20a des Grundgesetzes verlangt. Schließlich gibt es für Wasser, Luft und auch die belebte Natur selbst längst eigene Gesetze, nur die Lebensgrundlage Boden blieb bisher ungeschützt. Doch in der heutigen Bundesratdebatte will etwa die niedersächsische Umweltministerin Monika Griefahn, die seit vielen Jahren einen eigenen gesetzlichen Schutz des Bodens vor schädlichen Umwelteinwirkungen verlangt, zusammen mit einigen anderen SPD-regierten Lädern gänzlich gegen den Merkelschen Gesetzentwurf stimmen. Und daß eine Mehrheit des Bundesrates zumindest den Vermittlungsausschuß bemühen wird, kann als sicher gelten. Der Naturschutzbund Deutschlands bezeichnet das Merkelsche Gesetzeswerk als „unzulänglich und halbherzig“, und nach Auffassung des BUND schützt es gar eher „Baufirmen als tatsächlich den Boden“.

Natürlich sagt auch die Bundesumweltministerin, daß die Lebensgrundlage Boden geschützt werden muß vor Schadstoffeinträgen, vor weiterer Versiegelung, vor Erosion durch landwirtschaftliche Übernutzung – und daß Altlasten dringend saniert werden müssen. Ihr Gesetz verlange von jedem Nutzer, Gefahren für den Boden zu vermeiden, ihn in seiner ökologischen Leistungsfähigkeit nicht zu überfordern, so Merkel. Grundeigentümer müßten sicherstellen, daß von ihren Böden aus keine Gefahren etwa für das Grundwasser ausgingen.

Doch Merkels Gesetz sieht schon in seinen ersten Paragraphen nur vor, die „Funktionen des Bodens“ zu sichern. Es unterscheidet dabei nicht zwischen dessen natürlichen und dessen wirtschaftlichen Funktionen für den Menschen. Diese unklare Zweckbestimmung gewährt letztlich dem natürlichen, belebten Boden keinen höheren Schutz als etwa einer Bodennutzung durch Straßenbau oder Rohstoffabbau. Der Umweltausschuß des Bundesrates verlangt statt dessen als Gesetzeszweck, „den Boden als Bestandteil des Naturhaushaltes, als Lebensgrundlage und Lebensraum für Menschen, Pflanzen, Tiere und Bodenorganismen zu schützen“. Schon in der Anhörung des Bundestages hatten eine Reihe von Sachverständigen vorgeschlagen, dem Entwurf wegen seines Beschränkten Anwendungsberichs und seiner unzureichenden Vorsorgeregelungen doch lieber den Titel „Gesetz zur nutzungsbezogenen Altlastenbehandlung“ zu geben.

Zumindest die Beseitigung von Altlasten schreibt das neue Gesetz tatsächlich vor. Nach Meinung der SPD-regierten Länder wird dabei aber nach dem Prinzip der „Bund macht das Gesetz, und die Länder zahlen“ verfahren. Aus seiner Pflicht, militärische Altlasten zu sanieren würde sich der Bund – der schließlich die Verteidigungshoheit hat – durch das Gesetz davonstehlen, heißt es im niedersächsischen Umweltministerium. Die gesamten Kosten für Rüstungsaltlasten sollten den Ländern aufgebürdet werden, obwohl der Bund Rechtsnachfolger der Verursacher etwa des deutschen Reiches sei. Für die Sanierung industrieller Altlasten und von Bodenschäden durch weiträumigen Schadstofftransport, für die niemand haftbar zu machen ist, verlangen die Länder einen Fonds, in den Industrieunternehmen oder via Mineralölsteuer die auch den Boden verschmutzenden Autofahrer einzahlen sollen. Auch der ist von Merkel nicht geplant.

Schließlich halten die Länder den Gesetzentwurf für unfertig und in seinen finanziellen Auswirkungen nicht abschätzbar. Die Bundesumweltministerin hat die Ausführungsverordnungen größtenteils noch nicht vorgelegt, obwohl das Bodenschutzgesetz sofort in Kraft treten soll. J. Voges