■ Das Fernduell zwischen dem bayerischen Landesfürsten Stoiber und Kanzler Kohl hat in den letzten Tagen einigen Staub aufgewirbelt. Gestern trafen beide erstmals seit Beginn der Debatte um die Euro-Stabilitätskriterien aufeinander.
: Drei, d

Das Fernduell zwischen dem bayerischen Landesfürsten Stoiber und Kanzler Kohl hat in den letzten Tagen einigen Staub aufgewirbelt. Gestern trafen beide erstmals seit Beginn der Debatte um die Euro-Stabilitätskriterien aufeinander.

Drei, dreinull – für Kohl ist das alles Kleckerkram

Es war ein bißchen so, als gelte es eine deutsche Version des Tyson-Holyfield-Boxkampfes auf dem Boden Bayerns zu bestaunen. Hochgesteckte Erwartungen begleiteten den vermeintlichen Showdown, der da in der Münchener Philharmonie ausgetragen werden sollte. Würde es zu Ohrenbeißen und Kopfstoßen kommen – oder gar zum Skandal? Immerhin trafen die beiden erstmals persönlich aufeinander, seit die von der Münchener Staatskanzlei aus begonnene 3,0-Debatte die Gazetten in Atem hält. Mehr als 30 Kamerateams wuselten vor der festlichen Kulisse des bayerischen Unternehmertags herum, um die beiden Kontrahenten in der Frage der Stabilitätskriterien für den Euro vor die Linse zu bekommen. „Konflikt oder Konsens – Wirtschaft und Gesellschaft im Umbruch“ hieß dabei das Thema der Veranstaltung zum 50. Jahrestag des Bayerischen Unternehmerverbandes.

Viel Staub war aufgewirbelt worden in den letzten Tagen um das Fernduell zwischen dem schneidigen Wadlbeißer Stoiber und dem Kanzler. Der bayerische Ministerpräsident hat in den letzten Tagen keine Gelegenheit ausgelassen, Kohl dessen bedingungslosen Euro-Kurs vorzuwerfen. Am Wochenende hatte er gar angekündigt, die CSU werde den Euro im Bundesrat ablehnen, falls die Stabilitätskriterien nicht punktgenau erfüllt würden. In München und Bonn erhob das „Gespenst von Kreuth“, das heißt die mögliche Abspaltung der CSU von der Union mal wieder sein gruseliges Haupt. Stoiber mußte sich von Heiner Geißler einen „Kriterien- Fetischisten“ nennen lassen, was ihm vom Vorsitzenden der bayerischen Jungen Union den Vorwurf eintrug, Deutschlands größter Klugscheißer zu sein.

So also die Ausgangslage, als Stoiber und Kohl sich vor 2.000 Augenpaaren die Hand gaben. Mit Lachen quittierten die Nadelstreifen-Bayern, als Kohl nach dem Händedruck eilends das Weite suchte, bis er bemerkte, daß man ihn ganz nah neben Stoiber plaziert hatte. In den Reden der beiden Politiker aber zeigte sich, daß keiner bereit war, nun Öl ins Feuer zu gießen – trotz der Verbitterung, die in der Koalition derzeit herrscht. In seiner abgelesenen Festrede schimpfte Stoiber lieber auf die „68er“, die immer noch das Unternehmerimage mit ihren Neidkomplexen verunstalteten. Freilich ließ er es sich nicht nehmen, am Ende der Rede zumindest Flagge zu zeigen. „Ein stabiler, ich betone, ein stabiler Euro,“ so Stoiber, „ist eine Chance für die deutsche und für die europäische Wirtschaft.“ Und als sei gar nichts gewesen, dankte er dem Bundeskanzler, daß dieser „das gestern in Berlin mit großer Deutlichkeit klargestellt“ habe.

Kohl seinerseits ließ Stoiber zunächst einmal ins Leere laufen. Frei und vergnügt erzählte er anderthalb Stunden lang aus seinem Leben als Kanzler, der mit den Großen der Welt verhandele. Sein Blick schweifte zurück nach 1987, als man auf den G-7-Treffen noch über die Lance-Raketen geredet habe; heute eröffne ein Jelzin das G-8-Treffen. Vor 50 Jahren habe der kleine Kohl beim Passieren des Rheins noch einen Ausweis zeigen müssen, heute baue man am gemeinsamen Europa. Und auch die Halbierung der Arbeitslosenzahlen bis 2000 werde man schaffen. So des Lobes voll über sich und das historisch Geleistete war der Kanzler, daß die Frage 3,0 irgendwie als Kleckerkram im Raum stand. Und erst nachdem er so die historische Weihestimmung geschaffen hatte, kam er in einem kleinen Schlenker zu der Dezimalpetitesse. „Es bleibt bei dem Kriterium drei, dreinull, das ist überhaupt nicht mein Problem, und es bleibt bei dem Kriterium des Zeitplans. Wer glaubt, er könne Probleme jetzt lösen, indem er ausweicht und sagt: ich will, wenn wir die Kriterien jetzt nicht erreichen, über den Zeitplan den Ausweg sehen, der irrt.“

Der Kanzler hat keine Probleme. „Mir geht's gut“, verkündete er. Und für alle, denen es nicht so gut geht, hatte er einen wertvollen Ratschlag: „Man muß sich ja diese ganzen Magazinsendungen im Fernsehen nicht anschauen.“ Da sieht man derzeit sehr oft den Edmund Stoiber. Aber das sagte der Kanzler nicht. Thomas Pampuch, München