■ Der türkische Antimilitarist Ünalan erhält politisches Asyl
: Wichtiges Signal für Demokraten

Das Gezeter in der Türkei ist absehbar. Die Deutschen haben den türkischen Kriegsdienstverweigerer Mustafa Ünalan wegen seinem „antimilitaristischen Engagement“ als politischen Flüchtling anerkannt. Es ist ein leichtes, sich die Kommentare der türkischen Medien vorzustellen. „Kollaboration der Deutschen mit dem Vaterlandsverräter“ wird man schreien. Vielleicht folgt gar eine Protestnote des türkischen Außenministeriums: „Einmischung in die inneren Angelegenheiten“.

Die Türkei ist nicht nur ein militaristischer Staat, sondern auch eine militaristische Gesellschaft. Und diejenigen, die dagegen aufbegehrten, egal ob Kurden, Linke oder Islamisten, bestätigten dies, indem sie häufig selbst zum Mittel der Gewalt griffen.

Die jungen Kriegsdienstverweigerer in der Türkei dagegen rüttelten gewaltfrei an einem türkischen Ur- Tabu, das sicherstellt, daß das Militär nicht Gegenstand öffentlicher Kritik sein darf. Sie repräsentieren, ebenso wie die Samstagsmütter, die für die Aufklärung politischer Morde streiten, ursprünglichen, demokratischen Bürgerprotest gegen ein repressives politisches System.

Heuchlerische Zweideutigkeit hat das Verhältnis Deutschlands zur Türkei geprägt. Die hysterische Verteidigung der deutschen Burg vor „Masseneinwanderung“, Ängste vor „Überfremdung“ bestimmten die deutsche Außenpolitik. Selbst deutsche Sozialdemokraten unterstützten 1980 die Putschisten in der Türkei, damit „Ruhe und Ordnung einkehre“ und Deutschland nicht mit türkischem Chaos belastet werde. Nicht barbarische Menschenrechtsverletzungen in den kurdischen Gebieten bewegten Deutschland zu Positionsänderungen in der Kurdenfrage, sondern die Angst, daß Probleme „exportiert“ werden könnten. Auch die aktuelle Parteinahme gegen die türkischen Islamisten hat wenig mit der Sorge um Menschenrechte und Demokratie zu tun, sondern mehr mit handfesten Eigeninteressen.

Die demokratischen Kräfte in der Türkei haben noch nie auf wirkliche Unterstützung Deutschlands rechnen können – es sei denn, daß taktisches Kalkül es zeitweilig als opportun erscheinen ließ. Gerade deshalb ist das Asyl für Mustafa Ünalan von zentraler Bedeutung. Ein Hoffnungsschimmer, daß zuweilen universale Rechte und nicht die Mächtigen zur Geltung kommen. Ömer Erzeren