Immer zuverlässig auf den Beinen

■ Weltmeister wurde Uwe Seeler nie, Jupp Posipal schon: Ein Rückblick auf dessen Karriere

Er hat das geschafft, was dem Hamburger Kicker-Idol Uwe Seeler nie vergönnt war: Fußball-Weltmeister zu werden. Jupp Posipal schaffte es 1954 bei der WM in der Schweiz. Der nationale Titel blieb Posipal, der am 21. Februar dieses Jahres gestorben ist und vor einer Woche 70 Jahre alt geworden wäre, dagegen versagt. Zweimal in Folge scheiterte er mit dem HSV im Endspiel zur Deutschen Meisterschaft. Vor 40 Jahren, am 23. Juni 1957, gab es gegen Dortmund ein 1:4. Im Jahr darauf siegte Schalke 3:0. Frustriert beendete der „Held von Bern“seine aktive Laufbahn.

Sowohl auf dem grünen Rasen als auch später im Berufsleben war Posipal die Solidität und Zuverlässigkeit in Person. Im heutigen Zeitalter von Zeitlupe und Zielkamera würde einer wie er, obwohl mit sportlichen Preisen hochdekoriert, zur Kaste der Antistars gehören. Sein beruflicher Werdegang war ein anderer als der der kickenden Millionäre von heute.

„Natürlich hat mir beim Verkauf meine Popularität geholfen“, bemerkte er zu seinem hart erarbeiteten beruflichen Erfolg. Zwischen 1500 und 2000 Kilometer pro Woche hat er als selbständiger Handelsvertreter für eine Möbelfirma mit dem Wagen im norddeutschen Raum abgerissen. Zuletzt schmerzten Rücken und Beine immer stärker. „Wir bekamen zu unserer aktiven Zeit zuviel Cortison gespritzt. Das rächt sich heute“, klagte er, der erst im Ruhestand viel Zeit für Haus und Garten in Hamburg-Lokstedt fand. Zuvor hatte er 1992 nach 39 Jahren Tätigkeit den Job an seinen Sohn Peer übergeben – „auf solidester Basis“, versteht sich.

Gleich nach Wiederaufnahme des Länderspielbetriebs 1950 gehörte Posipal zum Kader von Bundestrainer Sepp Herberger. Bei der Weltmeisterschaft 1954 war der stets wie besessen trainierende Jupp für den Chef ein Glücksfall. Der vielseitige Hamburger konnte auf allen Defensivpositionen eingesetzt werden. Im Endspiel gegen Ungarn kickte er dann auch nicht auf seinem „Zuckerposten“als Mittelläufer, sondern als rechter Verteidiger.

Seinen direkten Gegenspieler, den wieselflinken Außenstürmer Czibor, kannte Posipal schon seit Kindertagen. Beide waren in Lugoj im Banat auf dieselbe Schule gegangen. Jupp, der damals noch Josef gerufen wurde, war 1943 mit 16 Jahren nach Deutschland zwangsumgesiedelt worden und mußte in einer Rüstungsfabrik arbeiten.

Immer wenn im Finale das Spiel der Ungarn unterbrochen wurde, fluchte sein Kontrahent Czibor auf ungarisch, das Posipal gut verstand. Czibors Unmut kam nicht von ungefähr. „Posipal deckte, besonders in der zweiten Halbzeit, zeitweise Czibor und Puskas völlig zu“, lobte die Hamburger Presse am Tag nach dem sensationellen 3:2 über Ungarn im Berner Wankendorfstadion. Anfangs hätte Posipals „Abstellung auf den Verteidigerposten noch Sorge bereitet“, doch schlußendlich „fand er sich wunderbar mit dieser Aufgabe zurecht.“

Nur mit der deutschen Meisterschaft wollte es für den 32fachen Nationalspieler nicht klappen, der in Hannover seine Kickkarriere begann und mit dem HSV siebenmal Norddeutscher Meister wurde. Nach 28 Jahren, im Juni 1957, stand der HSV wieder einmal im Finale.

Die Hoffnung, dem Titelverteidiger Dortmund im Niedersachsen-Stadion zu Hannover ein Bein stellen zu können, hatten sich bereits nach 26 Minuten zerschlagen: Da lag die Seeler-Elf mit ihrem Mannschaftskapitän Jupp Posipal 1:3 hinten. Die „Ha-Es-Vau“-Schlachtgesänge, im Norden damals so populär wie die aktuellen Schlager von der „Josefine“oder der „Banana-Boat-Song“, verstummten alsbald. Auch der routinierte Posipal wurde von den Borussen-Stürmern beim 1:4 schwindelig gespielt.

Ein Jahr darauf, wieder in Hannover, sah es nicht besser für das junge Hamburger Team aus. Beim 1:0 nach fünf Minuten durch den Schalker Kapitän Bernie Klodt griff Posipal zu spät ein. Das deprimierte den Sensiblen so sehr, „daß ihm mehrere Gedankenfehler unterliefen, die den Wert seiner Leistung einschränkten“, schrieb tags darauf eine Hamburger Zeitung. Die Abschiedsvorstellung des ehemaligen Weltelf-Spielers und Zweiten bei der Wahl zum „Sportler des Jahres“1953 geriet zum Trauerspiel.

Einige HSV-Fans bewiesen jedoch Humor und empfingen die geschlagene Elf am Dammtor-Bahnhof mit selbstgemalten Plakaten: „Ganich um kümmern!“Posipal, der nahe am Wasser gebaut hatte, mußte bei seiner letzten Heimkehr von einem fußballerischen Großereignis leise schluchzen. Sein sportlicher Ziehsohn Uwe Seeler, damals noch nicht volljährig, nahm ihn tröstend in die Arme.

Erst 1960 holten die Rothosen doch noch die lange ersehnte Meisterschaft. Posipal assistierte Trainer Mahlmann beim 3:2 über Köln. „Es war für mich so, als wäre ich selbst noch einmal dabeigewesen“, erklärte Posipal nach dem Spiel. So hatte er doch noch seinen fehlenden Titel geschafft. Volker Stahl