Sammelabschiebung nach Pristina

Bayern setzt umstrittene Praxis fort. Kosovo-Albaner, die in ihrer Heimat stark gefährdet sind, wurden bereits in München von serbischen Polizisten in Empfang genommen  ■ Aus Nürnberg Bernd Siegler

Zum zweitenmal hat der Freistaat Bayern eine Sammelabschiebung nach Pristina vollzogen. 46 Flüchtlinge, darunter zwei Familien, wurden unter Ausschluß der Öffentlichkeit in die Hauptstadt des Kosovo ausgeflogen.

Am 16. April waren schon einmal 37 Kosovo-Albaner gemäß dem umstrittenen Rückführungsabkommen zwischen der Bundesrepublik Deutschland und der Bundesrepublik Jugoslawien von Bayern aus in die Krisenregion abgeschoben worden. Bayerns Innenminister Günther Beckstein (CSU) begründete die Sammelabschiebung mit der „zu geringen Bereitschaft zur freiwilligen Ausreise unter den Jugoslawen“. Elisabeth Köhler, Fraktionssprecherin der Bündnisgrünen im bayerischen Landtag, forderte die Staatsregierung auf, die Abschiebungen nach Pristina „sofort auszusetzen“. Angesichts der systematischen Verfolgung der Kosovo-Albaner in dieser Region sei Becksteins Handlungsweise „in hohem Maß gewissenlos“.

Mit zweistündiger Verspätung startete die Sondermaschine am Mittwoch abend vom Flughafen München nach Pristina. In den Räumen des Bundesgrenzschutzes im abgelegenen Terminal E mußten die Flüchtlinge erst auf das Eintreffen serbischer Polizisten warten, die bei der Befragung und den Durchsuchungen der Flüchtlinge und des Gepäcks dabei waren. Das bayerische Innenministerium begründete deren Anwesenheit damit, daß sich unter den Abgeschobenen „20 Straftäter“ befunden hätten. „Bei einigen Flüchtlingen rief die Anwesenheit der serbischen Polizei Beunruhigung und Ängste hervor“, betonte Bernhard Zapf vom Kirchlichen Sozialdienst am Flughafen.

In einer von Elisabeth Köhler initiierten Debatte im Rechts- und Verfassungsausschuß des bayerischen Landtags betonte ein Vertreter der Staatsregierung, daß das bayerische Vorgehen mit der aus Vertretern des Auswärtigen Amtes (AA), des Bundesinnenministeriums, der Länder Bayern und Nordrhein-Westfalen sowie des Außen- und Innenministeriums und des Flüchtlingsamtes der Bundesrepublik Jugoslawien besetzten Expertengruppe abgestimmt sei. Dort würden alle Abschiebungsmodalitäten vereinbart.

Obwohl man im AA derzeit noch fünf Fälle überprüfe, in denen Flüchtlinge unmittelbar nach ihrer Ankunft in Pristina von den dortigen Behörden schwer mißhandelt wurden, habe auch das AA der Sammelabschiebung zugestimmt.

Nach dem vom AA als verläßlich eingestuften Menschenrechtsrat in Pristina ist die albanische Bevölkerungsmehrheit in der Region starken Repressionen seitens der jugoslawischen Behörden ausgesetzt. Im Jahresbericht 1996 sind 14 Tötungen in Gefangenschaft, 14.919 Mißhandlungen und 1.712 Fälle willkürlicher Inhaftnahmen aufgeführt. Michael Stenger von Pro Asyl berichtet, daß seit Inkraftreten des Rückführungsabkommens die Fälle von Mißhandlungen „stark gestiegen“ seien.