Warten auf die Zukunft

■ Kroatien: Tudjman wieder zum Präsidenten gewählt

Vor einem Jahr hatte sich der Wind gegen den kroatischen Präsidenten Franjo Tudjman gedreht. Angesichts der fallenden Sympathiewerte weit unter 40 Prozent schöpften sogar die Oppositionsparteien Hoffnung. In der kroatischen Gesellschaft begann sich die Meinung durchzusetzen, Tudjman sei der richtige Mann für den Krieg, nicht jedoch für den Frieden.

Jetzt brauche man Kompetenz für den Wiederaufbau, für den Weg nach Europa, für die Demokratisierung der Gesellschaft und eine Politik der Modernisierung Kroatiens. Daß Tudjman schließlich doch wiedergewählt wurde, hat sicherlich nur wenig damit zu tun, daß man ihm plötzlich wirtschaftliche Kompetenzen zutraut. Schon eher trug die Ungeniertheit im Umgang mit der Macht, die offene Nutzung der staatlich kontrollierten Massenmedien, das Stimmrecht für seine Anhänger in der Westherzegowina, zum Wahlsieg bei. Bezeichnend ist, daß weder die Anschläge auf die Gegenkandidaten noch die Unregelmäßigkeiten während der Wahlprozedur seine Wähler beirren konnten.

Doch am meisten half ihm, daß die Opposition ihre Wählerpotentiale in den großen Städten nicht hinreichend mobilisieren konnte. Es ist den Oppositionskandidaten nicht gelungen, ihre Kompetenz in den so wichtigen Wirtschaftsfragen deutlich zu machen. Auf die Fragen, wie die Arbeitslosigkeit zu überwinden und wie die Verarmung der Mittelschichten aufzuhalten ist, hatten auch sie nur allgemeine Floskeln anzubieten. Vom Willen zum Sieg war nicht viel zu spüren. Daß zudem die ausländischen Mächte der kroatischen Opposition im Gegensatz zur serbischen keinerlei Unterstützung anboten, zeigt zudem, daß man sowohl in Washington als auch in den Hauptstädten Europas Tudjman trotz aller Kritik an der Macht halten will.

So reichte Tudjman die Unterstützung der Staatsangestellten, der Armee, der Wahlberechtigten aus der Westherzegowina und der Leute aus all jenen ehemaligen Kampfgebieten, die mit der Stimme für Tudjman ihre Volkszugehörigkeit zu dokumentieren glauben. Die Oppositionsparteien konnten immerhin ihre Organisationsstrukturen verbessern. Und das ist wichtig für die Ära nach Tudjman. Dann erst werden die Karten in Kroatien neu gemischt. Erich Rathfelder

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