Das Portrait
: Vierteljahrhundert unschuldig im Knast

■ Geronimo Pratt

27 Jahre lang schienen alle Hoffnungen vergeblich. Bis am Dienstag ein Richter am Landgericht im kalifornischen Orange County entschied, den ehemaligen Black-Panther-Aktivisten Geronimo Pratt (49) nach fast drei Jahrzehnten aus dem Gefängnis zu entlassen.

Als Pratt 1970 in Texas verhaftet wurde, stand er ganz oben auf der FBI-Liste der „politischen Extremisten“. 1968 hatte sich Pratt der radikalen Black Panther Party (BPP) angeschlossen, stieg bald zum BPP-Vorsitzenden in Los Angeles auf und organisierte Selbstverteidigungsgruppen der Panther-Büros. Die Auseinandersetzung mit dem FBI, dem für seinen Rassismus berüchtigten Los Angeles Police Department (LAPD) und den Panthers eskalierte.

Die Gelegenheit, ihn aus dem Weg zu schaffen, ergab sich, als er während der blutigen Spaltung zwischen den Ostküsten- und Westküsten- Panthers offiziell aus der BPP ausgeschlossen wurde. 1972 klagte ihn die Staatsanwaltschaft nach zweijähriger Untersuchungshaft wegen Mordes an einer weißen Tennisspielerin an. Ein ehemaliger Panther, Julio Butler, behauptete als Kronzeuge vor Gericht, Pratt habe ihm gegenüber den Mord gestanden. FBI-Protokolle, die belegen konnten, daß Pratt sich zur Tatzeit bei einem Treffen der Panther-Führungsspitze aufgehalten hatte, sind bis heute „verschwunden“ – Pratt bekam lebenslänglich.

Bis 1980 blieb er in strengster Isolationshaft, dann führten Proteste zu seiner Verlegung in den „Normalvollzug“. Aber erst im November letzten Jahres gelang es Pratts Anwalt Jonnie Cochran – seit dem Simpson- Prozeß international bekannt –, eine Anhörung für ein Wiederaufnahmeverfahren durchzusetzen. Cochran hatte als „top secret“ klassifizierte Akten aus der Staatsanwaltschaft in L.A. erhalten, in denen der Kronzeuge gegen Pratt als Informant des FBI und der LAPD geführt wurde. Schlußfolgerung des Orange County Landgerichts Ende Mai 1997: Wenn Pratts Verteidigung 1972 Kenntnis von der Informantentätigkeit des Kronzeugen gehabt hätte, wäre Pratt wohl nie verurteilt worden.

„Nach so vielen Jahren Knast ist meine persönliche Freiheit sehr abstrakt geworden. Aber ich denke viel über gesellschaftliche Befreiung und Rassismus nach“, hatte Pratt 1992 in einem Interview gesagt. Jetzt kann er in Freiheit überlegen, was zu tun ist. Heike Kleffner