„Nicht die Sollbruchstelle für die Koalition“

■ Gertrude Lübbe-Wolff, Professorin für öffentliches Recht und Umweltrecht an der Uni Bielefeld, über den Genehmigungsprozeß für den Braunkohletagebau Garzweiler II

taz: Frau Lübbe-Wolff, der erste Genehmigungsschritt für den Tagebau Garzweiler II, die Verabschiedung des Braunkohleplanes durch die frühere SPD-Alleinregierung, ist heute vom Landesverfassungsgericht abgesegnet worden. Jetzt steht mit der Genehmigung des Rahmenbetriebsplans der nächste Akt bevor. Ist damit der Einfluß der Politik dahin?

Gertrude Lübbe-Wolf:Der Rahmenbetriebsplan muß wegen der Umwelterheblichkkeit des Vorhabens in einem Planfeststellungsverfahren zugelassen werden. Normalerweise gibt es bei Planfeststellungen ein Planungsermessen, d. h. einen relativ weiten Spielraum hinsichtlich der Zulassung. Beim bergrechtlichen Rahmenbetriebsplan gibt es dieses Ermessen aber nicht. Nur über die wasserrechtlichen Probleme, die teilweise schon innerhalb des Planfeststellungsverfahrens für den Rahmenbetriebsplan abgearbeitet werden müssen, kommt ein kleines Ermessenselement hinein. Insgesamt ist der politische Spielraum bei der bergrechtlichen Planfeststellung aber erheblich geringer als bei anderen Planfeststellungen.

Hat die RWE-Tochter Rheinbraun jetzt quasi einen Rechtsanspruch auf Genehmigung des Projekts?

Im Bergrecht gibt es im Prinzip einen Anspruch des Antragstellers auf Genehmigung, wenn die gesetzlichen Zulassungsvoraussetzungen erfüllt sind – abgesehen von dem erwähnten wasserrechtlichen Ermessenselement. Die Zulassungsvoraussetzungen sind aber zum Teil relativ vage formuliert. Rechtlich gesehen folgt daraus zwar kein politischer Entscheidungsspielraum, denn in der Theorie gibt es für vage Begriffe immer nur eine einzige richtige Auslegung, doch letztlich entscheidet darüber ein Gericht. Zunächst einmal kann aber die Landesregierung ihre Auffassung von der richtigen Lösung den nachgeordneten Behörden gegenüber im Aufsichtswege zur Geltung bringen.

Wie sähe die Lage nach einer Genehmigung des Rahmenbetriebsplans im Herbst aus. Wäre der Tagebau endgültig durch?

Der Rahmenbetriebsplan berechtigt noch nicht zur Aufnahme des Bergbaubetriebs. Dazu muß noch ein Hauptbetriebsplan folgen. Inwieweit die vorläufige Entscheidung Bindungswirkung für die nachfolgenden Zulassungen entfaltet, ist sehr umstritten. Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) hat in einer Entscheidung aus dem Jahr 1991 festgestellt, ein Rahmenbetriebsplan diene im wesentlichen nur den Behörden als Steuerungs- und Aufsichtsinstrument und habe nicht die Funktion, dem Betreiber Rechts- und Investitionssicherheit zu verschaffen.

Aber verfestigt der Rahmenbetriebsplan nicht die Genehmigungslage im Sinne der Betreiber?

Ja, aber damit ist noch keine sehr sichere Position für den Antragsteller verbunden.

Was heißt das für die grünen Regierungspartner und Garzweiler-Gegner im Rau-Kabinett?

Die Bündnisgrünen sollten sich am Koalitionsvertrag orientieren, und danach ist die Genehmigung des Rahmenbetriebsplans ganz einfach nicht die Sollbruchstelle der Koalition. Nach dem Koalitionsvertrag besteht ganz klar die Möglichkeit, daß der Rahmenbetriebsplan genehmigt wird, denn der Vertrag stellt für diesen Fall gewisse inhaltliche Bedingungen. Ein Ausstieg aus der Koalition allein wegen der Zulassung dieses Plans wäre deshalb unvereinbar mit dem Koalitionsvertrag: Allerdings darf die Landesregierung den Rahmenbetriebsplan nur zulassen, wenn sichergestellt ist, daß die nachträglichen Überprüfungen des Braunkohleplans dadurch nicht ausgeschlossen werden. Gemeint ist damit: wenn sich die Grundannahmen, insbesondere in bezug auf die ökologische Verträglichkeit und die energiewirtschaftlichen Erfordernisse, maßgeblich ändern, dann muß das Projekt anhaltbar und rückholbar sein – auch nach der Genehmigung des Rahmenbetriebsplans. Interview: Walter Jakobs