Waigels Einsparwut bei Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen wird neue Arbeitslosenrekorde sichern

Nürnberg (taz) – „Natürlich weckt unser Haushalt Begehrlichkeiten, aber es gibt trotzdem nichts zu sparen.“ Die Sprecherin der Nürnberger Bundesanstalt für Arbeit (BA), Gisela Steltzer, kennt die Überlegungen im Bundesfinanzministerium, bei der BA noch in diesem Jahr zwei Milliarden Mark einzusparen, auch nur aus den Medien. Daß dieses Sparpaket Wirklichkeit wird, kann sie sich jedoch nicht vorstellen. Für die Neubewilligung von Arbeitsbeschaffungs-, Fortbildungs- und Umschulungsmaßnahmen würden dann im zweiten Halbjahr 1997 nur noch 200 Millionen Mark übrigbleiben. Das ganze Jahr über wären dann Arbeitslosenrekorde gesichert. Große Teile des 100-Milliarden-Mark-Etats der Bundesanstalt sind den spontanen Begehrlichkeiten des Finanzministers entzogen. Arbeitslosengeld und -hilfe sind gesetzliche Pflichtleistungen, und auch von den Kann-Leistungen, den Maßnahmen der aktiven Arbeitsmarktpolitik also, sind viele Mittel beispielsweise durch bereits begonnene Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen oder entsprechende Zusicherungen gebunden.

Um eine gleichmäßige Verteilung der Gelder für arbeitsmarktpolitische Maßnahmen über das ganze Jahr zu erzielen, ist das Bundesarbeitsministerium in diesem Jahr zum erstenmal dazu übergegangen, die finanziellen Mittel dafür nur von Quartal zu Quartal zu genehmigen. Für die ersten beiden Quartale genehmigte man für neubewilligte Maßnahmen insgesamt 8,5 Milliarden Mark. Das grüne Licht für 4,15 Milliarden Mark im dritten sowie für 4,7 Milliarden Mark im letzten Quartal steht jedoch noch aus. „Von diesen knapp neun Milliarden Mark sind nur 2,2 Milliarden nicht durch bereits eingegangene vertragliche Pflichten gebunden“, berichtet BA-Sprecherin Steltzer.

Damit ist die Manövriermasse für Kürzungsmaßnahmen im Haushalt der Bundesanstalt für dieses Jahr also vorgegeben: exakt 2,2 Milliarden Mark. Würde Waigel zwei Milliarden einsparen wollen, blieben nurmehr 200 Millionen für aktive Arbeitsmarktpolitik übrig. Eine solche Kürzung würde aber, so Steltzer, „keinen Sinn machen“. Allein zwei Drittel der eingesparten Mittel würden postwendend wieder als Ausgaben fällig werden. Diejenigen, die in den Genuß von ABM oder Umschulungen gekommen wären, sind dann weiterhin auf Arbeitslosengeld und -hilfe angewiesen.

„Die Leistungen der BA sind so ausgepreßt, daß nichts mehr drin ist oder weitere Kürzungen sogar kontraproduktiv wirken“, sekundierte gestern auch der Vorsitzende der Arbeitnehmergruppe der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Wolfgang Vogt. „Die Bundesanstalt geht davon aus, daß die 2,2 Milliarden Mark im vollen Umfang bereitgestellt werden“, betont denn auch Steltzer. Bei dieser Summe wird es jedoch nicht bleiben. Aufgrund der hohen Arbeitslosigkeit dürfte die Bundesanstalt am Jahresende mit einem Defizit von mindestens 14 Milliarden Mark abschließen. Schon jetzt sind 9,1 Milliarden Mark aufgelaufen. Nur ganze 4,1 Milliarden Mark sind im Bundeshaushalt aber als Zuschuß für die BA vorgesehen. Um die restlichen zehn Milliarden wird Waigel wohl nicht herumkommen, denn die BA kann dies an anderer Stelle einsparen. Bernd Siegler