Bewohnbares Kunstwerk

Friedensreich Hundertwassers Thermalbad im steirischen Blumau soll den Tourismus beleben  ■ Von Robert Prazak

Ein Gemälde, nicht auf Leinwand, sondern in die Landschaft gemalt: Geschwungene Pinselstriche in Rot, Blau und Gelb heben sich vom Grün der Wiesen ab. Dazwischen unregelmäßige Farbtupfer, von einem grün-blauen Flußband unterbrochen. Ein kupferner Zwiebelturm spiegelt die grelle Sonne wider. Blinzelnde Augen blicken Richtung Süden. Der österreichische Künstler Friedensreich Hundertwasser hat im steirischen Ort Blumau ein Thermalbad mit Hotel konzipiert. „Das größte bewohnbare Kunstwerk der Welt“, wie er selbst sagt. Es gleicht seinen Malereien und Graphiken: Spiral- und Labyrinth-Formen, leuchtende Farben, keine geraden Linien. Die Anlage fügt sich in die Natur ein, ahmt die sanften Hügel der Steiermark nach.

Erbaut hat die Hundertwasser- Badeanlage der Kärntner Unternehmer Robert Rogner, der bereits Hotels in Tirana und Prag, drei Feriendörfer in Österreich und Ungarn und ein Bad in Wien besitzt. Im Mai wurde das Rogner- Bad, so der offizielle Name, mit viel Pomp eröffnet. Zur Eröffnungsfeier waren mehrere Dutzend Journalisten, vor allem aus dem Ausland gekommen. Sogar ein Kamerateam aus Dubai war dabei. Hundertwasser wollte mit seiner Rede erst beginnen, nachdem die EU-Fahne im Hof eingeholt und durch die steirische Landesfahne ersetzt worden war.

1.500 Bewohner hat Blumau, zwei Lebensmittelgeschäfte, eine kleine Kirche, eine Asphaltstraße (keine Ampel), einen Friedhof. Die meisten Blumauer pendeln täglich zur Arbeit ins nahe Fürstenfeld oder die 80 Kilometer nach Graz.Touristen kamen bisher höchstens zufällig hierher. Das wird sich ändern, und die Blumauer haben in den vergangenen beiden Jahren bereits einen Vorgeschmack darauf bekommen, was die Therme bringen wird: 200.000 Besucher haben allein die Baustelle besucht. „Wir haben eine neue Art des Tourismus geschaffen“, verkündete Bauherr Rogner, „den Baustellen-Tourismus.“

Die Blumauer stehen „ihrer“ Therme positiv gegenüber. Aufbruchstimmung in Blumau. Die Therme, fünf Minuten zu Fuß vom Ortszentrum entfernt, wird Blumau erstens weltweit bekannt machen und zweitens Touristen und damit Geld bringen. Bürgermeister Josef Hauptmann verkündete mit zittriger Stimme: „Das Hundertwasser-Bad ist die einzige Chance, die Blumau jemals bekam.“

Das erste Haus, das man beim Spaziergang von der Therme erreicht, ist erst vor einigen Wochen fertiggestellt worden. Die Bewohner haben ein Leintuch vor ihren Balkon gehängt, auf dem sie „Appartements frei – mit Blick auf die Therme“ geschrieben haben. Daneben steht eine niedrige Baracke mit verschimmelten Fensterläden, durch eine riesige Satellitenschüssel verunstaltet und „wahrscheinlich von Jugos oder Türken bewohnt“, wie zwei Besucher des Dorfes vermuteten. Der ehemalige Schweinestall soll bald abgetragen werden. Ein Appartementhaus (komplett eingerichtete Küche, Gegensprechanlage, eigene Garage, fünf Minuten zur Therme) wird dann wohl hier stehen, wahrscheinlich von Deutschen, Engländern und Japanern bewohnt. Es wird besser in das neue Blumau passen.

Die Blumauer haben von Anfang an dazu beigetragen, daß sich „das Tor in die Zukunft öffnet“ (Hauptmann). 1979 hatte eine Erdölfirma in der Nähe von Blumau nach Öl gesucht, statt dessen aber nur heißes Wasser gefunden. Das Bohrloch wurde verschlossen; doch der Blumauer Gemeindesekretär Karl Semmler wurde den Gedanken nicht los, daß hier ein Geldfluß zubetoniert wurde. Er wandte sich an Rogner, der nicht abgeneigt war, aus Blumau einen Touristenort zu machen.

1989 schließlich ergab eine neuerliche Probebohrung, daß das Wasser unter Blumau nicht nur heiß, sondern auch heilkräftig ist – für Kurgäste und wohl auch für den Ort. Rogner ließ von einem „normalen“ Architekten eine „normale“ Thermenanlage mit Hotel planen, der Baubeginn stand knapp bevor. Doch dann traf Rogner den Künstler Hundertwasser. Die beiden Vermarktungskünstler verstanden sich auf Anhieb. Die alten Pläne landeten im Papierkorb, Meister Hundertwasser bastelte ein Modell, Architekten zeichneten danach die neuen Pläne.

Die Arbeiten dauerten vier Jahre. Hundertwasser war selbst oft vor Ort, um den Fortgang der Arbeiten zu kontrollieren. Die Kreativität jedes einzelnen Arbeiters war gefordert, ein jeder sollte sein eigener Meister sein. „Ein Arbeiter sagte zu mir, daß er durch das Arbeiten hier seine Magengeschwüre los wurde“, berichtet Hundertwasser. 950 Millionen Schilling, umgerechnet 136 Millionen Mark, hat das Bad samt Hotel (600 Betten) gekostet. Weitere 36 Millionen Mark wird die zweite Baustufe noch verschlingen, die bis zum Jahr 2000 fertig sein soll. Dann wird das Hotel für rund 1.800 Gäste Platz bieten.

Robert Rogner will mit Themen-Tourismus dem Niedergang des österreichischen Tourismus entgegenwirken. Der Gast, vor allem der deutsche, kommt heute nicht mehr nach Österreich, weil es immer so Tradition war; er erwartet das Besondere, wenn er auf seinen Billigflug in die Karibik mit Gratisgetränken im All-Inclusive- Club verzichtet und statt dessen österreichische Preise und unbeständiges Wetter in Kauf nimmt. Die Tourismuswerber feilen daher an einem neuen Österreich-Image. Dazu gehören Sport und Abenteuer (von Golf über Pferdetrekking bis zum Bungee-Jumping) – oder eben Kunst. Kunst abseits der Salzburger Geldadel-Festspiele und abseits von schwer verdaulichen Theaterstücken in Wien. Kunst für jedermann – wie das Hundertwasser-Werk in Blumau.

Hundertwasser, der mit bürgerlichem Namen Friedrich Stowasser heißt und in Venedig, Wien und Neuseeland lebt, hat seine publikumswirksame Art, Gebäude zu gestalten, bereits bei einem nach ihm benannten Haus im dritten Wiener Gemeindebezirk unter Beweis gestellt. Das Wohnhaus zeichnet sich durch die Hundertwasser-typischen Merkmale aus: schiefe Böden und Wände, bunte Kacheln, geschwungene Linien, abstrakte Fenster. Das Gebäude wurde bereits fixer Bestandteil der meisten Sightseeing- Touren in Wien; nicht unbedingt zur Freude seiner Bewohner: Die haben wenig Verständnis für Kunstliebhaber, die vehement Einlaß in die Wohnungen fordern oder die Gänge zur Bewältigung ihrer Bedürfnisse mißbrauchen (die bunten, unebenen Nischen laden dazu ein...)

Daneben hat Hundertwasser, 69 Jahre alt, auch einer Wiener Müllverbrennungsanlage ein unverwechselbares Antlitz verpaßt (etwa eine überdimensionale Kappe, wie er sie selbst immer trägt). Vom Wohnhaus im dritten Bezirk gibt es inzwischen einige Gassen weiter einen Ableger: das Kunsthaus mit einer ständigen Hundertwasser-Ausstellung, einem Hundertwasser-Verkaufsraum (Poster, Bücher, Postkarten vom Meister), einem Kaffeehaus und mit einigen Ausstellungsräumen für die Werke anderer Künstler. Die Schiffsanlegestelle am nahen Donaukanal wurde mit vier Hundertwasser-Säulen verziert.

„Dieses Projekt ist die Antwort auf die Frage, wie es dem österreichischen Tourismus geht“, meint Michael Höferer, Chef der Österreich-Werbung. Das Hundertwasser-Projekt ist eine Chance für den rotweißroten Fremdenverkehr, regionale Ungleichgewichte ins Lot zu bringen. Die meisten Gäste kommen in den Westen, nach Tirol, Salzburg und Kärnten – doch es werden immer weniger. Kärnten zum Beispiel hat voriges Jahr fast acht Prozent weniger Nächtigungen gehabt als im Jahr davor, Tirol über drei Prozent weniger.

Neue, unverbrauchte Gegenden, wo das Bier noch erschwinglich ist und nicht alle Preise in Mark angeschrieben sind, könnten den klassischen Ferienzielen Gäste wegnehmen. „Die ganze Region wird vom Hundertwasser-Bad profitieren“, versichert Höferer. Blumau ist ab sofort das Zentrum des Steirischen Thermenlandes. Ringsum liegen zahlreiche andere Thermalbäder, die ebenfalls Wasser in Geld verwandeln. Wie nach Loipersdorf, das die meisten Touristen des Steirischen Thermenlandes begrüßt (rund 200.000 pro Jahr), kommen auch in die anderen Orte vorwiegend einheimische Gäste. Die Hundertwasser- Therme hingegen soll zu mindestens 80 Prozent ausländische Gäste anlocken: Deutsche, Engländer, Skandinavier und Japaner zeigen das größte Interesse.

Robert Rogner schmiedet bereits die nächsten Pläne. Einige Kilometer vom Hundertwasser- Werk entfernt, im burgenländischen Stegersbach, wird im Juni ein Rogner-Golfhotel eröffnet werden. Es wird ein ganz normales Hotel mit geraden Wänden werden. Doch der burgenländische Maler Gottfried Kumpf, der bereits eine Autobahnraststätte konzipierte, entwirft für Robert Rogner gerade ein Seminarhotel, das in St. Veit in Kärnten errichtet wird. Kumpf bevorzugt etwas kugeligere Formen als Hundertwasser, obwohl die Unterschiede nicht allzu auffällig sind. Ein Erfolg wird auch dieses Kunst-Objekt werden. Das steht für Rogner schon heute fest.

Rogner-Bad Blumau: A-8283 Blumau 100, Steiermark, Österreich, Tel. (0043) 338351000, Fax: 51009100