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: Tresenlesen, lichtbildgestützt: Kapielski und Seiffert im Elefanten

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Tresenlesen, lichtbildgestützt: Kapielski und Seiffert im Elefanten

Der Elefant am Kreuzberger Heinrichplatz ist eine grundehrliche, hartgesottene Biertrinkerkneipe. Hier steht ein uneitler Preßspantresen. Ein bescheidenes Hängeschränkchen mit Schiebetür tut unverdrossen seinen Dienst. Und fürs Gemüt ist die kleine tapfere Topfpflanze auf halbrundem Wandbord zuständig. Der Elefant ist optimal geeignet für den Auftritt von Thomas Kapielski und Christiane Seiffert. Keine Frage, daß den erwartungsfrohen Kneipengästen zu Beginn der „lichtbildgestützten Vorträge“ versichert werden muß, daß es genügend Pausen geben wird, um der eigentlichen Aufgabe, dem Trinken, nachkommen zu können. Die Skatklopper in der Ecke und die Billardspieler im Hinterzimmer lassen von ihrem Tun sowieso nicht ab.

Dabei sind Christiane Seifferts Verse fürs Tresenlesen destilliert. Ihre Schüttelreime („Nach 16 Gläschen Metternich / fände er viel netter mich“) verlangen geradezu ein trinkbereites Publikum. Von schlichter Schönheit und geradeaus auch die Zeilen „Sein Herz, wenn er sie küßte, brannte / zumal er ihre Brüste kannte“. Noch filigraner wirken allenfalls ihre Fotoarbeiten, in denen die Dichterin zur expressiven Dingedarstellerin wird. Besonders zu loben: ihre Barlach-Skulpturen-Imitationen, der Schabrackentapir und die Bewältigung des schwierigen Themas Straßenlaterne.

Mit den Dingen und ihrem Eigenleben hat es auch Thomas Kapielski, überzeugter Lichtenrader und Experte des dortigen menschlichen Gestaltungswillens. Er ist spezialisiert auf Undercover-Humor und Vorstadtwitze. Ausgerüstet mit einer kleinen Kamera, sammelt er Kurioses: die schönsten Karateschlagkissen-Environments auf Hotelzimmerbetten, Zeugnisse des neuartigen Genres der Satellitenschüsselmalerei, traurige Blumenanpflanzungen in Autoreifen, festgekettete Aschenbecher. Langsam arbeitet er sich zum Metaphysischen vor, einem Kruzifix aus dem fränkischen Raum, von dessen Corpus nur noch die festgenagelten, blutenden Füße übriggeblieben sind: Was für eine Himmelfahrt!

Die Präsentation der Bilder wäre schon merkwürdig genug. Komik entsteht aber erst im Kontrast zu Kapielskis ernsthafter wissenschaftlicher Kommentierung. Eine Elchbüste mit der Aufschrift „Elch“ etwa bietet ihm Anlaß zur Reflexion des Verhältnisses von Signifikant und Signifikat. Der Papierkorb im Papierkorb (gesehen in einer bayrischen Herberge), der dem Schonbezug auf dem Schonbezug zu vergleichen wäre, führt zum Begriff der „folkloristischen Tautologie“. So verbinden sich harmonisch Wissen und Nonsens, die Uraniawelt des Vortrags mit rauchiger Kneipenluft. Da bleibt keiner dumm und niemand nüchtern. Jörg Magenau

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