Multikulti-Presse
: Langer Atem

■ Serie über Immigrantenmedien: Die Zeitschrift „Kauderzanca“ begann als Schülerblatt

Halil Can ist müde. Den ganzen Tag arbeitet der Politologe derzeit als Sozialarbeiter mit minderjährigen Flüchtlingen. Seinem Mitredakteur Çetin Ergen geht es schließlich nicht besser, seit er ebenfalls sein Studium abgeschlossen hat und als Informatiker arbeitet. Kein Wunder, daß die Redaktionstreffen immer seltener werden.

Wie anders war das doch damals, 1987, als die erste Ausgabe von Kauderzanca entstand: Das Berliner Stadtteilprojekt „Halk Köșesi“ (Volksecke) wünschte sich eine Schülerzeitung, und schon bald stießen zu dem sechsköpfigen Gründungskomitee immer mehr türkisch-deutsche JungjournalistInnen.

Der Titel des Magazins wurde aus den Wörtern „Kauderwelsch“ und seinem türkischen Pendant „tarzanca“ zusammengebastelt und unregelmäßig aber kontinuierlich erschienen nun weitere Hefte in einer Auflage von 2.000 Exemplaren. Die Beiträge waren in deutscher Sprache, teilweise auch deutsch und türkisch nebeneinander: Über die multikulturelle Gesellschaft in Deutschland, Jugendgangs, Tschernobyl, die steigende Jugendarbeitslosigkeit, ein Gastbeitrag über Türken in Dänemark oder einer über den Alevismus.

„Wir wurden zu Abiturienten, dann zu Studenten“, erzählt Halil. „Vor allem an der Uni wurden wir politisiert.“ Mittlerweile saßen Halil und Cetin in den Asta-Ausländerreferaten der beiden Westberliner Universitäten. „Da waren dann auch Studenten aus anderen Ländern, die hatten ähnliche Probleme wie wir. So konnten wir zum erstenmal über unseren Tellerrand hinaussehen.“ Dann kam mit dem Fall der Mauer und der Wiedervereinigung für viele Ausländer die Angst. „Da ist Kauderzanca zum erstenmal umgekippt“, erzählt Halil. „Einige Leute haben sich individualisiert und haben versucht, für sich selbst etwas zu retten.“ Zwei Jahre lag die Zeitschrift im Koma, erst 1995 begann sie von neuem. In den nächsten Wochen soll nun das zehnjährige Redaktionsjubiläum gefeiert werden. Keine andere deutsch-türkische Zeitschrift der zweiten Generation hat so lange durchgehalten. Martin Greve

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