Durch die Massen gedribbelt

■ Hertha nach dem Aufstieg: 600 Fans tobten auf dem Flughafen Tegel, Kicker in Manndeckung genommen. Hoeneß tanzt, und Sportsenatorin Stahmer drückt die Daumen

Das erste Training der Aufsteiger fand vor Gate 7 statt. Stürmer Ante Covic übte den Zweikampf Mann gegen Mann. Christian Fährmann und Michel Diszney, der in Unterhaching Hertha BSC in die Erstklassigkeit geschossen hatte, dribbelten sich durch eine dichte Abwehrkette. Und Trainer Jürgen Röber machte Freiübungen und schwitzte seinen Jungs etwas vor. Die Räume waren eng, aber nicht unüberwindlich.

Die Abwehrmauer vor Gate7 auf dem Flughafen Tegel, auf dem die Hertha-Mannschaft gestern gelandet war, war die dichteste der Saison, bestand sie doch aus 600mal brüllender Menschenmasse, blauweißen Fahnen, Tröten und Bierdosen.

Mit „Ho ha he, Hertha BSC“ und „Nie wieder zweite Liga“ tobten Gerald und Oliver, zwei Hertha-Fans, ihre Aufstiegseuphorie aus. Beide hatten sich Urlaub von der Maloche genommen und waren, mit „Stoff“ bewaffnet, zum Flughafen gebraust, um dort die Sau rauszulassen.

Daß sich die Bolzer in Anzug und Krawatte aber letztendlich durch den alkoholgeschwängerten Abwehrriegel spielten, schnell ins Taxi stiegen und abdüsten, fanden Gerri und Olli, dann doch „echt Scheiße“. Wenigstens ein Autogramm hätte abfallen können oder eine männerbündische Umarmung. Schließlich steigt man nicht jedes Jahr auf – und mit Hertha schon gar nicht.

Zu mehr Männerbündischem ließ sich dagegen Dieter Hoeneß hinreißen. Der Hertha-Manager, schon in aktiven Zeiten für simple Späße und blutende Platzwunden am Kopf zu haben, rastete aus und führte mit den Fans eine Polonaise vor dem Flughafen auf.

Im Siegestaumel ließ Hoeneß wissen, daß man in der kommenden Saison nicht gegen den Abstieg kämpfen werde. Doch es werde auch nicht schnell gehen, „in der ersten Liga eine dominierende Rolle zu spielen“. Sprach's und tanzte weiter.

Den Aufstieg haben Hoeneß und das Präsidium auf viel Geld gebettet. Eine Skandal-Hertha soll es nicht mehr geben. Mit einem geplanten Etat von 28 Millionen Mark will der Verein in seine 17. Bundesligasaison, die erste nach dem Abstieg 1991, gehen.

Rund 9 Millionen Mark, so Hoeneß, steuert der Vertragspartner Ufa für Neuverpflichtungen von Fußballstars bei. Der Club kalkuliert mit einem Zuschauerschnitt von 29.000 Besuchern pro Spiel.

Daß der Verein allerdings in einem seit Jahren bröckelnden Olympiastadion spielt und derzeit keine Aussicht auf Sanierung besteht, ärgert den Manager schon jetzt gewaltig. Die Kapazität von 76.000 Plätzen ist in der kommenden Saison auf rund 52.000 eingeschränkt worden, weil sonst der Zusammenbruch der Arena droht.

Daß am „Day after“ sich dadurch niemand die Laune verderben lassen will, machte Sportsenatorin Ingrid Stahmer(SPD) deutlich. Die Fußballexpertin kam mit einem dicken Blumenstrauß zum Flughafen Tegel und wird in Zukunft „weiter fest die Daumen drücken“.

Natürlich bereite ihr die Stadionsache Kopfzerbrechen. Es sei notwendig, das marode Olympiastadion zu modernisieren und weiter auszubauen. Aber wichtiger ist: Jetzt sei Berlin auch im Fußball wieder erstklassig – „und darauf haben viele Bürger, sowohl im Ostteil als auch im Westteil, lange gewartet“. Berlin, nun freue dich. Rolf Lautenschläger