„Es geht um den Willen zur Veränderung“

■ Marco Börries, Geschäftsführer der STAR Division GmbH, Hamburg, ist einer der von der SPD umworbenen Unternehmer. Er kritisiert „übertriebenes Sicherheitsdenken“

taz: Herr Börries, verbinden Sie mit der SPD das Bild einer innovativen Kraft?

Marco Börries: Zunächst einmal muß ich sagen, daß ich parteilos bin und nicht in irgendeine Parteiecke gepackt werden möchte. Das Thema dieses Kongresses interessiert mich, und deshalb bin ich gern gekommen. Ich finde es sehr positiv, wie sich die Haltung der SPD zum Beispiel bei der Bio- und Gentechnologie verändert hat.

Sie selbst haben in relativ kurzer Zeit ein erfolgreiches Unternehmen aufgebaut – in einem schwierigen Markt, der von starken, global agierenden Wettbewerbern dominiert wird. Inwieweit hat die nationale Politik Ihre Betriebsgründung gefördert oder behindert?

Weder noch!

Was hat Sie angetrieben?

Ein großer Anstoß war für mich der Schüleraustausch 1984 im Silicon Valley. Darüber hinaus wurde mein Ehrgeiz von Leuten angestachelt, die immer nur sagten, was du da machen willst, geht nicht.

Wer hat Ihnen abgeraten?

Im Prinzip hat uns das der Markt gesagt. Als wir 1985 mit unserer Software-Entwicklung begannen, da hieß es in Fachpublikationen ebenso wie bei potentiellen Kunden, daß das nicht funktionieren würde, weil etablierte Unternehmen, die Global Players, den Markt beherrschten.

Gab es für Sie in Deutschland besondere Hindernisse?

In den USA wäre es mir gewiß leichter gefallen, weil das übertriebene Sicherheitsdenken in Deutschland vieles blockiert. Das wirkt sich auch bei Kaufentscheidungen, zum Beispiel von neuer Software, aus. Wir haben sehr lange gebraucht, bis wir als neuer Anbieter im deutschen Markt akzeptiert wurden. Hier bei uns findet Bewegung oft nach dem Muster der Lemminge statt. Man bewegt sich möglichst in eine Richtung. Motto: Es kann nicht wahr sein, was nicht wahr sein darf. Die Offenheit und der Wunsch nach Alternativen zu einem Monopolisten ist in den USA einfach viel ausgeprägter als bei uns. Auch im Vergleich zu Frankreich ist der Unterschied riesig. In Deutschland dauerte es sechs Jahre, bevor man unsere Software ausgezeichnet hat. In Frankreich wurden unsere Produkte als Neuheit sofort positiv aufgenommen und in der Fachpresse schon nach kurzer Zeit als „Software des Jahres“ bezeichnet.

Die von Ihnen genannten Hindernisse sind alle nicht politischer Natur, sondern sie beziehen sich auf die Wirtschaft selbst.

Ich glaube, daß die unterschiedlichen Verhaltensweisen letztlich einen kulturellen Ursprung haben. Die Politik allein kann nicht so fürchterlich viel tun, um zum Beispiel erfolgreiche Softwarefirmen zu initiieren. Sie kann aber verhindern – etwa im Bereich der Bio- oder Gentechnologie. Es geht um den Willen zur Veränderung und um die Förderung der Risikofreude. Nicht jede Entwicklung kann gelingen, aber wenn man nichts Neues probiert, ist der Abstieg vorprogrammiert. Dafür in der Bevölkerung Verständnis zu schaffen, halte ich für eine der wesentlichen Aufgaben von Politik.

Sie plädieren dafür, die Veränderungen „sozialverträglich“ zu gestalten. Das klingt ganz anders als etwa beim BDI-Präsidenten Olaf Henkel, der gegen die „Konsenssoße“ wettert, die Deutschland erst die Probleme beschert habe.

Auch wir sind ein Unternehmen, das streng wirtschaftlich geführt wird. Wir sind keine Samariter, und wir können nur das ausgeben, was wir auch eingenommen haben. Das heißt aber nicht, sich gegen sozial vertretbare Lösungen zu stemmen und statt dessen Konfrontationen zu suchen. Mich hat die Entwicklung der Labour Party in England fasziniert. Da war ein unbedingter Wille zur Veränderung, ein Wille zum Gewinnen zu spüren, da hat man gemerkt, die wollen etwas bewegen. Da machen die Menschen dann auch Kompromisse, weil sie merken, daß es nicht um ein Parteibuch geht, sondern um die Bewältigung von extremen Problemen. Interview: Walter Jakobs,

Düsseldorf