Aus für Hertener Straftäterklinik

Nach Protesten der Bewohner verzichtet Nordrhein-Westfalens Landesregierung auf den Bau einer Klinik für psychisch Kranke in Herten. Angeblich baurechtliche Schwierigkeiten  ■ Aus Düsseldorf Walter Jakobs

Die in der Bergbaustadt Herten geplante neue Klinik für psychisch kranke Straftäter wird endgültig nicht gebaut. Das hat gestern der Düsseldorfer Gesundheitsminister Axel Horstmann, der die Klinikpläne zunächst immer verteidigt hatte, in Düsseldorf mitgeteilt. Als wesentlichen Grund nannte der SPD-Minister baurechtliche Probleme, die das Vorhaben vor Gericht „mit großer Wahrscheinlichkeit“ zu Fall gebracht hätten.

Die dringend benötigten neuen forensischen Therapieplätze sollen nun bei den bestehenden psychiatrischen Landeskrankenhäusern dezentral geschaffen werden. Hier, so Horstmann, seien juristisch „leichter durchsetzbare Lösungen möglich“, weil die dafür notwendigen Baumaßnahmen mit einer „weit geringeren Abweichung von der gemeindlichen Bauleitplanung“ zu verwirklichen seien.

Nach den Vorstellungen des Landschaftsverbandes Westfalen- Lippe (LWL), der für die Betreibung der forensischen Kliniken im bevölkerungsreichsten Bundesland der Republik zuständig ist, sollte das Land in Herten die Klinik unter Zuhilfenahme des „Staatsbaurechtsparagraphen 37“ des Bundesbaugesetzes realisieren. Nach dieser Vorschrift können Bund und Länder bei Projekten von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung die Planungshoheit der Kommunen aushebeln und auch gegen den ausdrücklichen Willen der kommunalen Behörden Bauvorhaben durchsetzen. Horstmann sprach gestern von einem „Denkfehler“ im bisherigen Planungsprozeß. Im Falle des Forensikneubaus sei die Anwendung dieser Zwangsmaßnahme eine „juristisch höchst gefährliche Angelegenheit“. Die Anbindung an bestehende Kliniken verspreche auf jeden Fall einen schnelleren Erfolg. Dabei räumte der Minister ein, daß auch er „Umfang und Schwere der rechtlichen Problematik zunächst nicht erkannt“ habe.

Gegen die Klinik, in der vor allem Gewalt- und Sexualstraftäter therapiert werden sollten, hatte es in den vergangenen Monaten eine mächtige Protestbewegung gegeben, die weit über Herten hinaus bis in die angrenzenden Städte Recklinghausen und Gelsenkirchen reichte. An der Spitze dieser Bewegung agierten zahlreiche Sozialdemokraten, die in der Region über eine absolute Mehrheit verfügen. Horstmann war gestern zwar sichtlich bemüht, jede Verbindung zwischen diesem Protest und seiner Entscheidung zu leugnen, doch letztlich war es dieser Massenprotest aus der Stammwählerschaft der SPD, der für die Wende im Düsseldorfer Kabinett sorgte.

Noch vor Wochen hatte Horstmann selbst die Lage beim Streit um den Hertener Klinikbau so beschrieben: „Wenn wir hier nachgeben, können wir nirgends mehr eine Gewalttätertherapie durchsetzen.“ Davon war gestern keine Rede mehr. Jetzt soll eine dezentralisierte Versorgung „leichter durchsetzbar“ und effektiver sein. Scharfe Kritik kam vom LWL-Direktor Manfred Scholle: „Der Weg zu anderen Lösungen wird noch steiniger.“ Das dezentrale Modell werde unter therapeutischen Gesichtspunkten große Probleme nach sich ziehen.

Auf das Hertener Protestmuster werden sich wohl noch viele berufen. Das ahnt offenbar auch Horstmann, der die Klinikstandorte, die seinen neuen Anforderungen entsprechen könnten, gestern partout nicht nennen wollte.