Richter helfen Ostprofessoren

■ Bundesverfassungsgericht erklärt Degradierung von DDR-Professoren zu wissenschaftlichen Mitarbeitern für grundgesetzwidrig. Sachsen-Anhalts Hochschulgesetz verletzt die Wissenschaftsfreiheit

Karlsruhe (taz) – Das Bundesverfassungsgericht hat den Ostdeutschen wieder einmal Genugtuung verschafft. Der Erste Senat des Gerichts gab diese Woche einer Verfassungsbeschwerde von sieben ehemaligen DDR-Professoren statt. Sie waren nach der Wende zu wissenschaftlichen Mitarbeitern herabgestuft worden. Das Hochschulgesetz von Sachsen-Anhalt habe damit jedoch die „Wissenschaftsfreiheit“ der Hochschullehrer verletzt, entschied der Senat.

Die sieben ehemaligen DDR- Professoren waren in den unterschiedlichsten Fachgebieten tätig, von der Physik bis zur Pädagogik. Gemeinsam war ihnen aber zweierlei: Zum einen hatten sie nach der Wiedervereinigung im Oktober 1990 erfolgreich die damals üblichen Überprüfungen an den einstigen DDR-Hochschulen bestanden. Ihnen war also sowohl „fachliche Geeignetheit“ wie auch „persönliche Integrität“ zugebilligt worden. Zum anderen waren sie aber nicht als Professoren „neuen Rechts“ berufen worden.

Bei den normalen Berufungsverfahren kamen im Nachwendeklima ohnehin fast nur Westakademiker zum Zuge. Und im Rahmen „außerordentlicher“ Berufungsverfahren wurde in Sachsen-Anhalt nur maximal ein Viertel der Professorenstellen mit ehemaligen DDR-Dozenten besetzt. Wer auf diese Weise die erste Hürde genommen hatte, an der zweiten aber gescheitert war, blieb in der Regel an der Universität und arbeitete weiter wie ein Professor – ohne sich aber so nennen zu dürfen. Denn das Hochschulgesetz von Sachsen-Anhalt, lange vor der jetzigen rot-grünen Landesregierung entstanden, ordnete solche Nicht- mehr-Professoren dem akademischen Mittelbau zu.

Zu bloßen wissenschaftlichen Mitarbeitern wollten sich die Hochschullehrer allerdings nicht degradieren lassen und erhoben Verfassungsbeschwerde. „Meinen Mandanten ging es dabei nicht um die finanziellen Nachteile, sondern um ihre Ehre als Wissenschaftler“, betonte deren Anwalt Peter Hauck-Scholz.

Den ehemaligen Professoren kam dabei ein eigentlich eher unerfreuliches Karlsruher Urteil aus dem Jahr 1973 zugute. Professoren wurde damals in allen Universitätsgremien eine dominierende Stellung garantiert. Für die bevorzugte Gruppe gelte dabei ein „Homogenitätsprinzip“: Nur echte Professoren dürften an diesem Vorrang teilhaben. Dieses Prinzip kam nun im Umkehrschluß den gedemütigten Ostdozenten zugute. Weil sie forschen und lehren wie Professoren und dazu noch die entsprechende Qualifikation besitzen, darf ihnen auch der entsprechende Einfluß nicht verwehrt werden, folgerte das Bundesverfassungsgericht. Nach Angaben des Anwalts Peter Hauck-Scholz sind in Sachsen-Anhalt rund 300 Wissenschaftler von diesem Urteil betroffen. „In anderen Bundesländern war die Rechtslage nicht so konsequent bösartig“, erklärte der Anwalt. Die parallele Verfassungsbeschwerde eines Dozenten aus Ostberlin wurde vom höchsten Gericht als „unzulässig“ abgelehnt. Er solle sich noch einmal direkt mit der Humboldt-Universität in der Hauptstadt in Verbindung setzen, beschieden die Richter. Die Chancen für den Dozenten stehen nicht schlecht: Schließlich hatte der Berliner CDU/SPD-Senat bereits ein Einlenken angedeutet. (Az.: 1 BvR 1864/94 und 1102/95) Christian Rath