Richter enträtselt Stier und Fisch

■ Bremer Religionswissenschaftler und Indien-Forscher entziffert jahrtausende alte Indus-Schrift

Egbert Richter ist Urbremer. Der Beiname „Ushanas“ist selbstgewählt. Selbstgewählt wie die Jahrzehnte währende Liebe zur Indologie, die den 49jährigen Religionswissenschaftler schon seit frühester Jugend umtreibt und nun zu seinem soeben in Indien erschienen Buch führte.

In „The Indus Script And The Rg-Veda“legt Richter-Ushanas erste Übersetzungen der Indus-Schrift vor, die als sumerische Bilderschrift auf drei- bis viertausend Jahre alten Stempelsiegeln bis in die Gegenwart überliefert worden ist.

Als Richter 1957 in London mit ersten Studien des Sanskrit begann, war auch für ihn noch der Rg-Veda ein Buch mit sieben Siegeln. Der Rg-Veda ist das älteste Buch der Inder. Er ist in Sanskrit geschrieben und besteht aus 1.028 Hymnen an Götter und Göttinnen. Die westliche Wissenschaft datiert die „indische Bibel“auf etwa 1500 vor unserer Zeitrechnung, während die Inder selbst es auf etwa 3.000 Jahre älter schätzen.

Nach privaten Studien der indischen Literatur, Philosophie und Religion nahm Richter 1961 in Berlin das Studium der Indologie auf. Vier Jahre später reiste er erstmals in das Land seiner Forschungssehnsucht und blieb sechs Monate dort. Bei seiner dritten Reise im Jahr 1975 lernte er die wieder ausgegrabene Stadt Harappa am Indus kennen und die im dortigen Museum gezeigten Siegel, die aus der früh versunkenen Indus-Kultur stammten.

Im Verlauf seiner religionswissenschaftlichen Studien hatte sich Richter auch mit den mesopotamischen Hochkulturen und ihren Sprachen beschäftigt und akkadische und sumerische Texte in den Originalsprachen gelesen. Dabei war ihm die Verwandtschaft des Sumerischen mit dem klassischen Sanskrit aufgefallen.

Daraus folgerte er, daß es zwischen beiden Sprachen eine Art Brücke geben müsse, die er in der Indus-Kultur zu verorten meinte. Er verglich verschiedene Siegel aus der Indus-Kultur mit denen aus den Versen des Rg-Veda, fand teilweise übereinstimmende Symbole wie Stiere und Fische und entschlüsselte dadurch etwa 1.000 von etwa 4.000 bislang wieder aufgetauchten Siegeln und Tafeln der Indus-Kultur.

Diese Ergebnisse sind in dem soeben in Indien erschienenen Buch zusammengefaßt. Zwar wurden sie von der Fachwelt noch nicht abgesegnet, aber die Methode des Bremers hat der indischen Presse zufolge großen Eindruck im Land gemacht. dah