Vor 60 Jahren flog Hitlers Luftwaffe den ersten Vernichtungsangriff der Geschichte gegen die baskische Stadt Gernika. Tausend Zivilisten starben. Gestern weigerte sich der Bundestag, ein Bekenntnis deutscher Schuld auch nur zu debattieren.

Vor 60 Jahren flog Hitlers Luftwaffe den ersten Vernichtungsangriff der Geschichte gegen die baskische Stadt Gernika. Tausend Zivilisten starben. Gestern weigerte sich der Bundestag, ein Bekenntnis deutscher Schuld auch nur zu debattieren.

Ein bißchen Geld, kein bißchen Schuld

Jetzt habe man doch einen Gedenktag für die Opfer des Nationalsozialismus: den 27. Januar. Jetzt möge man sich bei diesem Thema doch bitte auch auf dieses Datum beschränken und die Abgeordneten an anderen Tagen damit verschonen. So begründeten gestern sinngemäß die Koalitionsparteien in einer Debatte zur Geschäftsordnung ihre Ablehnung, einen Antrag von SPD und Grünen zu behandeln. Die Oppositionsparteien wollten anläßlich des morgigen 60. Jahrestages der Bombardierung der baskischen Stadt Gernika (spanische Schreibweise: Guernica) durch die deutsche Luftwaffe erreichen, daß sich das deutsche Parlament offiziell für den Terrorangriff entschuldigt.

Als erster benutzte Joachim Hörster von der CDU den 27. Januar, um das Thema von der Tagesordnung zu verbannen. Wer wolle, daß man sich der Opfer des Faschismus erinnere, „der muß die Aufmerksamkeit auf diesen Tag konzentrieren“. Er verwies auf die Rede, die Klaus von Dohnanyi anläßlich des 27. Januar gehalten habe: „Da ist alles zum Nationalsozialismus gesagt.“

Ähnlich argumentierte der parlamentarische Geschäftsführer der FDP, Jörg van Essen. Es sei nicht hilfreich, „immer neue Gedenktage“ heranzuziehen. „Es gibt keine aktuell zu beredenden Probleme.“ Nicht die Quantität, sondern die Qualität des Gedenkens sei gefragt.

Die Qualität des bisherigen Gedenkens drückt sich in einem Beschluß des Parlaments vom 18. März 1988 aus, in dem sich kein Wort über deutsche Schuld und Verantwortung für den Luftangriff findet, der Gernika in Schutt und Asche legte. „Die Opfer der wehrlosen Zvilbevölkerung mahnen zu einer Geste des Friedens“, heißt es darin lediglich. Es war die inzwischen verstorbene grüne Politikerin Petra Kelly, die damals im Bundestag gegen heftigen Widerstand wenigstens diese allgemein gehaltene Formulierung durchsetzte.

Was immer noch ausstehe, sei „ein ausdrückliches Bekenntnis zur deutschen Schuld“, erklärte gestern Volker Beck von den Grünen. „Wenn wir den 60. Jahrestag verstreichen lassen, ist wieder eine Chance zur Versöhnung vertan.“

„Es ist die Pflicht des Deutschen Bundestages, sich auch diesem Teil der deutschen Vergangenheit zu stellen und sich damit auseinanderzusetzen“, mahnte auch die SPD- Abgeordnete Ute Vogt. Es könne nicht sein, daß die Verantwortung zur Aussöhnung allein einer mittelgroßen badischen Stadt überlassen werde, sagte sie mit Blick auf die Partnerschaft zwischen Pforzheim und Gernika. „Bis zum heutigen Tag warten die Menschen in Gernika auf ein Wort des Bedauerns oder eine Entschuldigung für ihr unermeßliches Leid.“

Sie warten weiter. Fünf Minuten Zeit steht Rednern und Rednerinnen der Parteien zu, um ihren Standpunkt darzulegen. Dann wird abgestimmt, die von SPD und Grünen geforderte Debatte abgelehnt. Keine einzige Gegenstimme aus den Reihen der Koalition.

„Wir sehen uns in der Nachfolge der Verteidiger der Spanischen Republik und nicht als Nachfolger derer, die Franco mit an die Macht gebombt haben. Das ist der Unterschied“, hatte unmittelbar zuvor der Schriftsteller und PDS-Abgeordnete Gerhard Zwerenz als letzter Redner bitter mit Blick auf die Koalitionsabgeordneten gesagt. Bettina Gaus, Bonn