Volksfürsorge: Gegen Übernahme nicht versichert

■ HBV: Der Mehrheitsaktionär AMB will sich die Versicherung einverleiben

Hamburg (taz) – „Keine Sorge – Volksfürsorge!“ warb der Hamburger Versicherer ein Jahrzehnt lang um seine Kundschaft. Eine sorgenfreie Zukunft scheint nun für die traditionsreiche Firma jedoch ausgeschlossen: Der Mehrheitsaktionär, die AMB Aachener und Münchener Beteiligungs-AG, will den drittgrößten deutschen Versicherer in seinen eigenen Assekuranz-Konzern vollständig integrieren, befürchten Betriebsrat und HBV. Damit werde das Unternehmen faktisch aufgelöst. „Die Volksfürsorge wird übergeordneten Konzerninteressen geopfert“, rief Jörg Reinbrecht den mehr als 1.000 Angestellten zu, die gestern mittag vor die Konzernzentrale an der Außenalster zogen. Vertrauensvoll nennen die Schlips-und- Kragen-Demonstranten den Konzern „Vofü“. Seit 1913 gehörte der Versicherer den deutschen Gewerkschaften – im Dezember 1993 trennte sich die Gewerkschaftsholding BGAG von ihren letzten Vofü-Aktien. Drei Viertel des Kapitals gehören inzwischen der AMB- Gruppe. Mittlerweile wurden, nach Gewerkschaftsangaben, 800 Arbeitsplätze vernichtet – nahezu 20 Prozent des Innendienstes. Möglich wurde dies durch die Ausrüstung der Vertreter mit Laptop und Abakus-Software. Nun sollen Vofü-Rechenzentrum und Kapitalanlagen in ein AMB-Tochterunternehmen ausgelagert werden. „Die AMB setzt zum großen Schlag an“, sagt HBV-Sekretär Reinbrecht. Die gesamte Verwaltung werde zentralisiert. In der Summe seien 1.000 Arbeitsplätze gefährdet. „Obendrein soll die Volksfürsorge ihre Produkthoheit verlieren.“

AMB-Vorstand und Volksfürsorge dementieren: „Die Zahlen der HBV sind falsch“, verspricht Vofü-Sprecher Wolfgang Otte, „das ist Panikmache.“ Es werde zu einem deutlich geringeren Personalabbau kommen, und die Produkthoheit bleibe erhalten. Das von der HBV angeschwärzte AMB-Integrationskonzept selber läßt sich jedoch nicht mehr dementieren: Die „Neuausrichtung“ war den Beschäftigten bereits im März in einem Brief des Vorstands mitgeteilt worden. Und schon zuvor hatten Vorstandsmitglieder auf Betriebsversammlungen über 530 Arbeitsplätze geredet, die bis 1999 verschwinden werden, erinnert sich Betriebsratsvorsitzender Peter Stüve. Die von McKinsey entworfene „Neuausrichtung“ komme jetzt noch obendrauf. AMB scheint damit einen von der deutschen Wirtschaft seit langem breit ausgetretenen Weg zu beschreiten: Zwei oder mehrere durchaus profitable Unternehmen werden zusammengelegt zu einer einzigen Konzernfirma. Den früheren Einzelunternehmen verbleiben lediglich eigene Firmenschilder und Briefköpfe. Der AMB kann dies zusätzliche Gewinne bescheren, aber volkswirtschaftlich betrachtet ist es ein Irrweg, da jedes Einzelunternehmen auch allein (gewinnträchtig) überleben könnte – was ein dickes Plus an Arbeitsplätzen brächte!

Die Belegschaft der Volksfürsorge wehrt sich. Ein „spontaner Besuch“ bei der jüngsten Aufsichtsratssitzung, eine Unterschriftenaktion und gestern die Demonstration durch die Hamburger Innenstadt. Motto: „Meine Sorge – Volksfürsorge!“ Hermannus Pfeiffer