Der Weg zur „Handlungseinheit“ Schule

Die Kultusministerin von NRW, Gabriele Behler, legte ein Konzept vor, daß Schulen mehr Selbstverantwortung gibt. Sie sollen zu „Häusern des Lernens“ werden  ■ Aus Düsseldorf Walter Jakobs

Alle Schulen in Nordrhein- Westfalen werden künftig einen erheblichen eigenen Gestaltungsraum bei der Festlegung von Ausbildungsinhalten und der Schulorganisation bekommen. Dazu hat die Düsseldorfer Kultusministerin Gabriele Behler (SPD) gestern ein Konzept vorgelegt, das die Schulentwicklung in NRW in den nächsten Jahren prägen dürfte.

Dabei orientieren sich die einzelnen Maßnahmen an der vor einem Jahr vorgelegten, vieldiskutierten Denkschrift „Zukunft der Bildung – Schule der Zukunft“, die die Stärkung der Selbstverantwortung der einzelnen Schulen ins Zentrum aller Reformüberlegungen rückte. Die Idee war, Schulen in „Häuser des Lernens“ zu verwandeln. Mit dem neuen Konzept, so Behler, werde jetzt „ein Perspektivenwechsel“ signalisiert. Die einzelne Schule müsse sich stärker als bisher als „pädagogische Handlungseinheit“ verstehen, die für das Gelingen von Bildung und Erziehung selbstständig Verantwortung übernimmt.

Schon im kommenden Schuljahr werden rund 25 Prozent aller neuen Lehrerstellen in NRW durch die Schulen selbst vergeben. Bis zum Jahr 2000 soll mindestens eine Quote von 50 Prozent erreicht werden. Durch weitere Deregulierungen sollen die Schulleitungen zudem in Zukunft „zentrale Aufgaben des Schulmanagements wahrnehmen“. Die Kompetenzerweiterung umfaßt auch die Zuständigkeit für die dienstliche Beurteilung der LehrerInnen bei der Übernahme ins Beamtenverhältnis. Bis spätestens zum Jahr 2000 sollen alle Schulen ein eigenes Schulprogramm aufstellen, das die organisatorischen und finanziellen Mittel zur Erreichung der pädagogischen Ziele offenlegen soll. An der Entwicklung der Schulprogramme werden Eltern und Schüler beteiligt, um die „Erziehungspartnerschaft zwischen Schule und Elternhaus zu festigen“. Ob dazu das Schulmitwirkungsgesetz und die Allgemeine Schulordnung geändert werden müssen, steht noch nicht fest. Im Ergebnis können die Schulen auch inhaltlich eigene Akzente setzen, „was aber nicht heißt, daß jedes Kind etwas anderes lernt, sondern wir wollen gleiche Kriterien für die Leistungsbeurteilung“, so Behler. Dazu sollen künftig Musteraufgaben für Klassenarbeiten entwickelt werden, die den landesweit geltenden Leistungsanspruch verdeutlichen. Zentrale Abschlußprüfungen will Behler ausdrücklich nicht, diese wären eine „Scheinobjektivität“. Für die Vergleichbarkeit von Abschlüssen müsse auch künftig die Schulaufsicht sorgen. In systematischen Evaluationsverfahren soll jede Schule über ihre Qualität Rechenschaft ablegen. Ob dadurch womöglich eine neue Bürokratie erwächst, blieb gestern weitgehend offen. Zu der inneren Schulreform gehört die Stärkung des „fächerübergreifenden Unterrichts“. Dazu sollen die Ausbildungs- und Prüfungsordnungen so geändert werden, daß der Unterricht künftig auch nach Jahresstundentafeln – und daher wesentlich flexiber – erteilt werden kann. Zu dem Konzept gehört eine finanzielle Teilautonomie für die 7.000 Schulen im Lande. Neben dem schon existierenden Programm „Geld statt Stellen“ sollen künftig auch Mittel für die Fortbildung direkt an die Schulen gehen. Was die damit im einzelnen finanzieren, bleibt ebenso den Trägern vor Ort überlassen wie die Verwendung der ihnen zugeteilten Gelder für Sachmittel.