Stoiber zeigt Waigel, was eine Harke ist

■ Auch der Kleine Parteitag in Fürth beendet den Hauskrach in der CSU nicht

Fürth (taz) – Um Himmels willen, macht keinen Blödsinn.“ Rainer Kunkel, CSU-Stadtrat in Aschaffenburg und seit 23 Jahren bei den Christsozialen, macht beim Kleinen Parteitag der CSU in Fürth seinem Unmut über die permanenten Hahnenkämpfe zwischen Parteichef Theo Waigel und Bayerns Ministerpräsident Edmund Stoiber Luft. „Geht auf die Zugspitze, dort könnt ihr euch in Ruhe aussprechen“, lautet sein Rat an die CSU-Doppelspitze.

Ein Rat, der keine Wirkung zeigt. 220 Delegierte sind Zeugen, daß Stoibers Lust, Waigel die Grenzen zu zeigen, ungebrochen ist. Seine Gleichung ist einfach: Nur die absolute Mehrheit der CSU in Bayern sichere der Partei den Einfluß in Bonn. Also gelte es, bayerische Interessen zu vertreten. Dazu gehörten nicht nur die der Landwirte und der Sudetendeutschen, sondern eben auch die der „kleinen Leute“, die besonders unter Waigels Sparpaketen leiden.

Kleine Machtdemonstrationen gehören zu Stoibers Kalkül. So läßt der Landesvater eine Stunde auf sich warten. Kaum hat Waigel seine Grundsatzrede begonnen, muß er sie auch schon wieder unterbrechen. Stoiber marschiert wie ein Matador in die Halle ein. Waigel bleibt nichts anderes übrig, als den Ministerpräsidenten, den Rivalen um das Amt des Parteivorsitzenden, artig zu begrüßen. Erst dann kann er zur Generalabrechnung mit den „Crash-Kurs“ und der „Geisterfahrt der Sozis“ schreiten. Er inthronisiert einen stellvertretenden Generalsekretär (siehe Seite 11) und betont, daß „die Stärke der CSU sich auf ihre programmatische und personelle Geschlossenheit“ gründe. Dann mahnte er noch mehr „menschliche Solidarität“ an – das war's schon zum Thema, dem wochenlangen Streit zwischen München und Bonn.

Stoiber nimmt sich dafür viel Zeit. Zunächst betont langsam geht der Schnellredner auf die Konflikte ein. Diese müßten beendet werden, aber Geschlossenheit bedeute „nicht Verzicht auf Diskussion“. Und dann geht's im Stakkatostil gegen Waigels Vorschläge zur Steuer- und Rentenreform. Besteuerung von Nachtzuschlägen? „Steuersystematisch konsequent, aber das wird die Krankenschwester nicht überzeugen.“ Erhöhung der Rentenbesteuerung? „Steuersystematisch nachvollziehbar, aber dies verunsichert alle Rentner.“ Senkung der Kilometerpauschale? „Fatal für einen Flächenstaat wie Bayern.“ Skepsis gegenüber dem Euro? „Das müssen wir ernst nehmen.“

Während die Delegierten Beifall klatschen, sitzt Waigel mit versteinerter Miene auf dem Podium. Nichts hat Stoiber zurückgenommen. Stoiber, das weiß Waigel, hat die Delegierten hinter sich, wenn er sich zum Anwalt der kleinen Leute macht. „Wir müssen das S in unserem Parteinamen mehr gewichten“, erklärt Stoiber in jedes Mikrofon. Waigel spürt, daß die lange Jahre erfolgreiche Doppelstrategie der CSU, in Bonn bei jeder Kürzung dabei zu sein und von München aus heftig dagegen zu schimpfen, nicht länger taugt. Bernd Siegler